Sanctum
erlangen – wir dagegen werden mit Eurer Hilfe nur ein paar Jahre benötigen, um ihn ihnen zu rauben.«
»Eure Eminenz«, brach es aus Gregoria heraus, »diese Zeit haben wir nicht, fürchte ich, wenn wir mein Mündel retten wollen.«
»Äbtissin, mäßigt Euch!«, fiel er ihr bestimmt ins Wort. »Wir reden über den Niedergang und die Auslöschung eines Ordens, nicht über die Befreiung eines jungen Mädchens, das – aus welchem Grund auch immer – zwischen die Fronten unseres heiligen Krieges geraten ist. Für mich«, seine grünen Augen hefteten sich auf Gregoria, »ist sie ein Nebenschauplatz, ein Scharmützel, von dem nicht der gesamte Ausgang des Krieges abhängt.«
»Wenn dieser Krieg Florences Leben nicht retten kann, ist er mir weniger wert, als Ihr annehmt, Eminenz.« Sie richtete sich auf und starrte auf die Tischplatte. »Ich will mit Freude an der Umsetzung Eures Plans teilhaben und Rotonda mit allen, die an ihm hängen, fallen sehen. Doch ich bestehe …«
»Äbtissin!«, rief Lentolo warnend. »Ihr vergesst, dass Ihr Euch nicht mehr in einem Ziegendorf des Gevaudan befindet und mit einem kleinen Abbé sprecht, sondern mit Seiner Eminenz! Ihr habt weder etwas zu fordern noch auf etwas zu bestehen!«
»Und dennoch tue ich es!«, erwiderte sie, die graubraunen Augen auf Lentolo gerichtet und ihn mit Blicken niederringend. Anschließend richtete sie ihre Aufmerksamkeit wieder auf Impegno. »Ohne Euer Versprechen, sie unter allen Umständen aus den Händen Rotondas zu befreien, werde ich nichts unternehmen, um Euch zu unterstützen, Eminenz.« Sie legte die Hände gegen die Tischkanten und wartete unter mühsam versteckter Anspannung auf die Antwort.
Wieder schwieg Impegno sehr lange, bevor er etwas sagte. »Man müsste Euch Jeanne d’Arc nennen, Gregoria, oder Löwenherz, so sehr kämpft Ihr für Eure Sache. Also gut«, setzte er zu dem befreienden Satz an, auf den sie so sehnlichst gehofft hatte, »ich verspreche es: Euer Mündel Florence wird gerettet, und zwar sobald wie möglich und unter Einsatz von allen Mitteln, die mir zur Verfügung stehen. Seid Ihr nun zufrieden?«
Gregoria fiel vor ihm auf die Knie, ergriff seine Hand und küsste mehrmals den Ring. »Danke, Eminenz«, sprach sie mit zitternder Stimme, »vielen Dank! Dafür schwöre ich Euch, dass ich nicht eher ruhen werde, bis wir den Orden der Jesuiten ausgemerzt haben. Auch ich werde alles in meiner Macht Stehende tun.«
»Auch wenn es auf den ersten Blick den Geboten Gottes zuwiderläuft?«, fragte Impegno blitzschnell nach.
»Ja«, erwiderte sie im Überschwang der Gefühle – und ohne die Tragweite ihrer Zusage zu erfassen.
Der Kardinal nickte zufrieden und wandte sich dann an Jean. »Monsieur Chastel, Ihr fragt Euch sicherlich, welche Rolle Euch in unseren Plänen zugedacht worden ist.«
»Ich frage mich das tatsächlich. Es ist schwierig, mich in eine Nonnentracht zu stecken und mich als Schwester Jeanne auszugeben. Außerdem halte ich nicht viel von der Kirche.«
»Ihr wisst bereits, dass ich Eure klaren Worte schätze. Sie verdienen Bewunderung … aber leider doch auch viel zu oft den Scheiterhaufen.« Impegno legte die Hände zusammen. »Da wir nun einen gemeinsamen Feind haben und Ihr der Äbtissin in Freundschaft verbunden seid seit jenen Jahren im Gevaudan, die als die finsteren in die Chroniken eingegangen sind, hoffe ich auf Euren Beistand.«
»Also komme ich erst etwas später auf den Scheiterhaufen?«
»Das Feuer sollte man sich immer für seine wahren Feinde aufsparen. Wir sind uns einig darüber, dass wir die Bestien aus den Menschen vertreiben möchten, auf dass sie ihr Leben mit reiner Seele weiter führen können. Dieses ist uns möglich. Aber sollte sich die Bestie zu sehr zur Wehr setzen und es keinerlei Aussichten auf einen Erfolg geben, die Kreatur zu fangen, brauche ich Vertraute, die mit einem Gewehr oder welcher Waffe auch immer bereit stehen, um andere zu schützen.«
»Ihr wollt Kreuzritter ausbilden«, fasste es Jean zusammen.
»Etwas in der Art, durchaus«, stimmte Impegno zu. »Unsere Kämpfer müssen nicht nur schießen und kämpfen können, sondern auch der Furcht widerstehen, wenn sie sich Auge in Auge mit der Bestie finden. Ich frage Euch, Monsieur Chastel, traut Ihr Euch zu, meine Seraphim auszubilden?«
»Ihr habt bereits einen Namen für diese Einheiten?« Jean verschränkte abwehrend die Arme vor der Brust. Dabei kam ihm das Angebot des Kardinals sehr gelegen. Er konnte sich damit
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