Sanctum
stahlen uns etliche Rationen, die wir unter großen Mühen und mit sehr, sehr viel Geld hergestellt haben.«
»Wenn das Blut getrocknet ist, wie könnt Ihr es wieder verflüssigen? Und wieso ist seine Wirkung nicht … verflogen oder etwas in der Art?« Jean zuckte mit den Achseln. »Wenn ich Gregoria nicht mit eigenen Augen gesehen hätte, würde ich sowieso kein Wort von dem glauben, was Ihr mir gerade über dieses … wie nanntet ihr es? Dieses Sanctum gesagt habt.«
»Glaubt an das Göttliche und die Allmacht Gottes, das empfehle ich Euch.« Impegno hob abwehrend die Hand. »Den genauen Vorgang kann ich Euch nicht enthüllen, denn er ist kompliziert und voller sakraler Geheimnisse, die Ihr nicht wissen dürft und nicht glauben würdet. Es muss Euch genügen, wenn ich Euch sage, dass es uns gelungen ist. Aber es ist aufwändig. Sehr aufwändig.«
Gregoria rief sich die biblischen Abendmahle in Erinnerung. Die Jünger hatten damals sicher ebenfalls schon Sanctum erhalten, das Blut Christi, und keinen Wein. Sie war sich mit einem Schlag sicher, dass sie auf diese Weise alle späteren Prüfungen überstanden hatten. Das Blut des Heilands hatte ihren Körpern und ihrem Geist das Vertrauen und die Stärke gegeben, den Glauben in die Welt zu tragen.
Sie war von dieser Vorstellung absolut gefangen, denn auch durch ihre Adern floss nun ein Teil des Menschen, in dessen Namen sich die Welt so sehr verändert hatte. Sie gehörte zu einem kleinen Kreis von Auserwählten, und die Ehrfurcht vor dem, was sich in dem unscheinbaren, verbeulten Döschen befand, stieg von Herzschlag zu Herzschlag.
Umso schwerer wog der Verrat Francescos. Er hatte in ihren Augen nicht nur Schreckliches getan, sondern auch das Andenken Christi beschmutzt.
Impegno stand auf und ging zur nächsten Tür, die aus dem Raum hinausführte. »Folgt mir. Lasst mich Euch zeigen, welche Geheimnisse wir noch vor unseren Feinden verbergen.«
Sie gingen durch das ausgestorbene Haus, vorbei an noch mehr verhüllten Möbeln, die unter den Tüchern lagen wie mystische Wesen aus den Albträumen von Bildhauern.
Impegno schritt voran, marschierte eine Treppe nach unten und führte sie in einen Gewölbekeller. Auf seinen Wink hin schoben Lentolo und zwei seiner maskierten Bewaffneten ein Fass zur Seite. Dahinter verbarg sich eine mit drei massiven Riegeln gesicherte Tür. Lentolo öffnete einen nach dem anderen und gab den Durchgang frei. Seine Leute brachten Lampen und leuchteten in den Gang.
»Die Katakomben verbergen viel, darunter auch einen Teil unserer Verschwörung.« Impegno sandte einen der Laternenträger nach vorn. »Ich zeige Euch einen Ort, an dem Ihr viel Zeit verbringen könnt. Falls Ihr möchtet.«
Sie liefen und liefen. Ohne die wandernde Sonne fehlte Jean der Anhaltspunkt, wie lange sie durch die Gänge unter der Ewigen Stadt marschierten. Er entdeckte viele Markierungen in den Wänden, teilweise sahen sie alt, mitunter doch recht neu aus.
»Wir befinden uns in einem Bereich der Katakomben, der von uns als Verbindungsweg genutzt wird«, sagte Lentolo. Seine Stimme wurde durch den engen Gang dumpf und undeutlich. »Auf diese Weise können wir uns ungesehen bewegen.« Er streifte mit der Hand an der Decke entlang, kleine Bröckchen rieselten zu Boden. »Es gibt Bereiche in Rom, auf denen nicht gebaut werden kann, jedenfalls keine größeren Häuser oder gar Stadtpaläste, weil der Boden unter der Last einbräche. Die Ewige Stadt ist ein Ameisenhaufen voller Gänge und Kammern.«
Schließlich gelangten sie durch eine wiederum stark gesicherte Tür in einen großen Raum mit glatten Wänden und unzähligen Regalen, die sich bis in weite Ferne zogen, wohin der Schein der Lampen nicht vordrang. Buchrücken reihte sich an Buchrücken, Papierrollen und Pergamente lagerten nebeneinander, alles war fein säuberlich geordnet und ohne einen Hauch von Staub.
»Wir befinden uns in einem der Archive des Vatikans«, erklärte Impegno. »Hier lagert alles, was mit dem Bösen und Übernatürlichen zu tun hat, aus allen Zeiten, aus unzähligen Ländern.« Das Maskengesicht richtete sich auf Gregoria. »Was immer Ihr über das Böse wissen wollt, hier werdet Ihr alles finden, was Euch weiterbringt.« Er nahm einen Schlüssel hervor. »Damit gelangt Ihr zu jeder Zeit durch diesen Durchgang in das Archiv. Sollte sich jemand zu Euch gesellen, redet nicht mit ihm über Eure Absichten, sondern gebt vor, Ihr würdet die alten Hexenfälle aufarbeiten.«
»Danke,
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