Sanctum
dergleichen.« Sie schob ihm das Glas zu. »Trink du ihn.«
»Na schön.« Jean fand den Geschmack gut, wenn auch nicht vergleichbar mit dem heimischen Rotwein.
»Erzähl von den Seraphim«, forderte sie ihn auf und spielte mit dem Federkiel.
»Fünf junge Frauen, alle gut ausgebildet, wie du an meiner Kleidung sehen kannst, aber es fehlt ihnen die Erfahrung.« Er nippte an dem Wein. »Erfahrung und Eingebung. Die Söldner, die sie ausbildeten, haben ihnen das Handwerk beigebracht, wie sie es kennen. Das gleicht in nichts dem, was sie bei der Jagd auf Wandelwesen brauchen. Das Spurenlesen verstehen sie überhaupt nicht.«
»Also ein hartes Stück Arbeit für dich.« Sie legte ihre Hand auf seinen Oberarm, die graubraunen Augen schauten liebevoll. »Aber du wirst es schaffen.«
»Ich sorge mich weniger um mich als um sie. Sie sind von sich überzeugt, was nicht schlecht ist, doch es kann sie auch in Gefahr bringen. Das werde ich ihnen austreiben müssen.« Jean betrachtete Gregoria über den Rand des Glases hinweg und hatte mit einem Mal den Eindruck, dass sie sich verändert hatte. Sie wirkte … frischer und lebendiger als jemals zuvor. Konnte es an dem Blut Christi liegen, von dem sie gekostet hatte?
»Ich werde sie in den kommenden Tagen auf die Probe stellen. Ihre Gesellenprüfung wird der Kampf gegen den schwarzen Panter werden … und ihr Meisterstück der Comte. Das wird mir und ihnen zeigen, zu was sie tatsächlich in der Lage sind.« Er streifte die Stiefel von den Füßen und betrachtete die Socken, die an den Zehen bereits recht dünn geworden waren. »Was machen deine Vorbereitungen?«
Gregoria berichtete ihm von der Idee mit den Waisenhäusern, aus denen sie junge Frauen aufnehmen wollte. »Ich werde sie persönlich unterrichten und prüfen, ob sie dazu taugen, in die Schwesternschaft aufgenommen zu werden.«
»Wie willst du das alles bewerkstelligen?«
»Lentolo wird mir Lehrer senden müssen. Die Mädchen müssen Umgangsformen und Fremdsprachen und vieles andere erlernen, bevor ich sie in die Welt sende. Als Gesellschafterinnen der Fürstinnen und Erzieherinnen ihrer Kinder.« Gregoria lächelte. »Das klingt, als hätten die Mächtigen darauf gewartet, dass sich die Schwestern bei ihnen zeigen. Aber welchen Grund sollten sie haben, die Schwesternschaft an den Hof und in die Schlösser zu holen? Es gibt bereits sehr viele Pfaffen, die sich da breit gemacht haben.«
Gregoria schwieg einen Moment. »Es wird die Frische sein, die ihnen Tür und Tor öffnet. Unsere Schwestern werden nicht nur das Wort Gottes verbreiten wie mancher Mönch oder alternde Erzieherin, sondern diese mit ihrer Jugend, Klugheit und Anmut übertreffen. Und sie werden neuen Ansichten gegenüber offen sein. So können sie zunächst die Frauen der Fürsten auf ihre Seite ziehen, natürlich auch die Kinder – und der Rest, darauf vertraue ich, wird sich ergeben.«
»Das ist deine Taktik?« Er machte keinen überzeugten Eindruck. »Plaudereien gegen Jesuiten?«
»Du wirst bald sehen, was ich meine. Ich war früher selbst Teil einer edlen Familie und weiß, worauf es ankommt«, meinte Gregoria lächelnd. »Die Kunst der Konversation, das geistreiche Gespräch, mit dem man neue Ideen über die Kinder und Mütter an ihre Väter und Männer vermitteln kann, ist eine scharfe Waffe, wenn man sie zu schmieden versteht. Und glaub mir, es ist besser, als mahnend den Finger zu heben oder offen nach den Jesuiten zu schlagen. Wenn du einem neuen Freund offen zeigst, wer dein Gegner ist, mag es sein, dass er nicht gemeinsam mit dir in den Kampf zieht. Aber du hast die Schlacht bereits gewonnen, wenn deine Verbündeten denken, dass sie selbst einen Feind entdeckt haben, den es zurückzuschlagen gilt.«
Jean verschluckte sich beinahe an seinem Wein und verzog die Lippen. »Ich sehe, dass Frauen wirklich anders denken als Männer.«
»Und das ist gut so. Denn darum werden uns die Jesuiten nicht auf die Schliche kommen.« Auch das Hochgefühl, das Gregoria bei diesem Gedanken empfand, konnte die Müdigkeit nicht vertreiben, die sich immer stärker bemerkbar machte. Der Tee hatte eine unglaublich beruhigende Wirkung. »Verzeih mir, Jean, aber ich gehe zu Bett. Das Übersetzen ist anstrengender, als ich gedacht habe.« Sie stand auf, berührte seine Schulter, und er legte spontan seine Hand auf ihre. Sie verharrten, genossen die Nähe des anderen … und wussten, dass sie sich niemals mehr erlauben durften als das. Was ihnen blieb, war die
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