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Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
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ihm, sich so weit abzustützen, dass er den Fuß vorsichtig aus dem Loch ziehen konnte; sein Bein blutete aus verschiedenen kleinen Kratzern. Als er sich langsam auf den wackligen Stufen nach oben machte, erklang ein Schuss.
    »Judith!« Jean keuchte vor Anstrengung. Er erreichte den obersten Absatz und schaute aus einem Fenster hinaus auf das flache Dach.
    Sie nahm gerade Anlauf, um auf das nächste Dach zu springen, wo Bernini eben landete. Das war eine Art von Jagd, die Jean gar nicht passte.
    Bernini humpelte, die Kugel der Seraph hatte den Oberschenkel gestreift, aber er setzte seine Flucht weiter fort. Für Jean bedeutete das, dass der Mann den Comte unter keinen Umständen verraten und ihn zweifellos vor den Besuchern warnen wollte, sobald er entkommen war. Bernini musste gefangen werden!
    Er schwang sich über das Fensterbrett und betrat das nasse, rutschige Dach. Bewundernd verfolgte er, wie Judith mit einer spielerischen Leichtigkeit über die Straßenschlucht setzte und sicher auf der anderen Seite landete, als befände sie sich auf ebener Erde. Sie schaute kurz über die Schulter, er winkte ihr, und sie rannte hinter Bernini her.
    Jean atmete tief ein, stieß sich kraftvoll von der Kante ab und flog über den Abgrund hinweg.
    Die Landung missglückte völlig.
    Er erwischte eine moosige Stelle und glitt aus, schlug der Länge nach hin und musste sich festhalten, um nicht abzurutschen und vom Dach hinunter aufs Pflaster zu stürzen; seine Pistole hopste davon, schlitterte über die Ziegel und verschwand; gleich darauf hörte er den Aufprall.
    Über ihm schob sich der Umriss eines Raubkatzenkopfs über den First.
    Zwei gelbe Augen schauten zu ihm herab.
    Jean erkannte, dass das Fell nicht vollkommen schwarz war, sondern leichte Andeutungen von hellen Kreisen aufwies. Die Schnurrbarthaare bewegten sich im aufkommenden Gewittersturm, die kurzen Ohren standen senkrecht in die Höhe. Es machte auf ihn den Eindruck, als wollte das Wandelwesen den Menschen näher betrachten, um sich sein Gesicht zu merken und den Geruch einzuprägen.
    Jean starrte die Kreatur an, überlegte, ob er mit einer Hand den sicheren Halt loslassen und nach dem Dolch greifen sollte. Ein gefährliches Manöver, weil er leicht abrutschen und stürzen könnte – und so oder so das Wandelwesen zum Angriff reizen würde!
    Ein leises Grollen kam aus dem halb geöffneten Rachen, Jean zog scharf die Luft ein, und dann –
    – verschwand der Panter so schnell, wie er gekommen war.
    Was …? Jean verstand es als Warnung, sich nicht an der Jagd auf Bernini zu beteiligen. Eine letzte Warnung … und eine womöglich gut gemeinte? Unter dem Fell des Panters schien ein besonneneres Wesen zu stecken, als es sein Sohn Antoine in seiner Gestalt als Bestie gewesen war.
    Fluchend zog er sich hinauf auf den First und weiter auf das flache Stück des Daches; er stand auf und sah durch den strömenden Regen in die Richtung, in der sich Judith und Bernini in dreißig Schritt Entfernung ein ungleiches Wettspringen über niedere und hohe Dächer lieferten.
    Der Mann hielt seine Geschwindigkeit nicht länger, und die drahtige Seraph rückte näher und näher. Er besaß zwei Dächer Vorsprung, aber die Beinwunde behinderte ihn zu sehr.
    Jean rannte los, sprang von Dach zu Dach, von Dächern auf Balkone, um von dort nach oben zu klettern und wieder über die Ziegel und Schieferplatten zu hasten; seine Stiefel schlitterten mehr als einmal zur Seite.
    Der Regen hatte nicht nachgelassen und ein kühler, scharfer Wind machte das Laufen auf den Dächern zu einem noch gefährlicheren Wagnis.
    Jean zog sich an einer Kandel in die Höhe und schob sich mit den Ellbogen auf das nächste Dach, als der schwarze Panter mit einem eleganten Satz über ihn hinwegsprang. Er drehte den Kopf, um ihn anzufauchen, und rannte dann auf Judith und Bernini zu, die sich auf dem nächsten Haus befanden.
    »Vorsicht!«, schrie Jean und stemmte sich in die Höhe. »Er kommt!«
    Der Panter setzte über die Lücke zwischen den Gebäuden und prallte mit den Vordertatzen in Judiths Rücken! Sie hatte die Warnung ihres Mentors zu spät vernommen und sich erst halb umgewandt. Der Schlag brachte sie aus dem Gleichgewicht, ihr rechter Fuß rutschte unter ihr weg. Judith fiel krachend auf die Ziegel, ihr Kopf prallte hart auf, ihr Körper erschlaffte – und rutschte langsam die Schräge hinunter auf den Rand zu!
    Bernini starrte auf den Panter, wich langsam rückwärts zurück. Er hatte die Pistole

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