Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Sanctum

Sanctum

Titel: Sanctum Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Markus Heitz
Vom Netzwerk:
sich um die aufgeregt nach Hilfe Rufende in seinem Rücken zu scheren. Die beiden spielenden Kinder sahen ihm mit offenen Mündern hinterher, und erst, als er den Fuß der Treppe erreicht hatte, hörte er ihr aufgeregtes Geschrei.
    Rasch eilte er zur großen Haustür hinaus und wandte sich nach rechts, in die Gasse, in die auch Bernini gegangen war; dabei zog er sich das Tuch vom Gesicht, um einer von vielen Passanten zu werden und nicht wie ein Räuber auf der Flucht zu wirken.
    Er erkannte die Zeichen, die ihm Judith hinterlassen hatte, und folgte ihnen. Wieder in das verflucht enge Trastevere.
    Bernini musste eine unglaubliche Geschwindigkeit vorgelegt haben. Von Judith und ihm sah Jean nichts, sondern er verließ sich einzig auf die hingekritzelten Zeichen seiner Seraph, deren Markierungen immer hastiger wurden. Waren sie gerannt?
    Ein erstes Donnern verkündete das Gewitter, und schon im nächsten Moment setzte feiner Regen ein, der sich innerhalb weniger Schritte, die Jean machte, zu einem Sturzbach entwickelte.
    Jean befand sich in einer Gasse, die so eng war, dass er nicht einmal die Arme zur Seite ausstrecken konnte. Kleine Kaskaden ergossen sich aus löchrigen Kandeln auf das Pflaster, das Klatschen war überlaut und unterdrückte jedes andere, feinere Geräusch. Blubbernd und plätschernd schwappte das Wasser auf ihn nieder, sammelte sich in der Gosse und schoss Blasen schlagend davon.
    »Nein!« Das Wasser schwemmte die Kreidezeichen davon und verwischte die Spur, die Judith ihm gelegt hatte. Und was … Jean bildete sich plötzlich ein, am Ende des Gässchens eine gedrungene, lang gezogene Silhouette gesehen zu haben. Seine Hand langte unter den Rock auf den Rücken, die Finger schlossen sich um den Pistolengriff. Noch waren die Waffe und damit das Schießpulver sowie der Feuerstein des Pistolenschlosses trocken.
    Er trat auf einen freien Platz, ein zufällig von mehreren kleinen Häusern gebildeter Hof, mehr eine breite Kreuzung denn ein Ort zum Verweilen. Ein Blitz stieß lautlos vom Himmel und beleuchtete die Umgebung, der Donner ließ auf sich warten; dafür prasselte der Regen umso lauter nieder.
    Jean schluckte, stellte sich mit dem Rücken zur Wand und hob den Kopf, um sich zu vergewissern, dass sich auf den Dächern keine Überraschung verbarg. Gleichzeitig ließ er seinen Dolch aus dem Ärmel gleiten und packte ihn, hielt ihn gegen den Unterarm gepresst, damit man die Waffe nicht sofort sah.
    Er hörte hinter sich das Klicken, das von einem Pistolenhahn stammte, der zurückgezogen wurde – gleich darauf wurde ein kalter Gegenstand gegen seinen Nacken gedrückt!
    »Fermatevi o sarà l’ultima azione della sua vita. Chi é Lei e cosa vuole da me?« Jean wurde etwas auf Italienisch gefragt, was er nur zur Hälfte verstand. Doch die Waffenmündung in seinem Nacken war eisig kalt und warnte ihn auch ohne viele Worte davor, eine rasche Bewegung zu machen. Es brachte ihm derzeit nichts, dass er die eine Hand am Pistolengriff und in der anderen seinen Dolch hielt. Das Wasser rann über seinen Hutrand hinweg, floss in den Kragen und durchtränkte sein Hemd. »Ich verstehe Euch nicht«, sagte er. »Sprecht Ihr Französisch, Monsieur?«
    Wieder hörte er ein paar italienische Sätze, der Mann hinter ihm klang wütend und aufgebracht. Er redete viel zu schnell, unverständlich und mit einem eigenen Akzent. Es sah nicht nach einer friedlichen Einigung aus.
    »Ich drehe mich jetzt langsam um, Monsieur«, kündigte Jean an und machte eine erste Vierteldrehung, da packte ihn eine Hand im Nacken und zwang ihn zurück in die alte Position; jetzt schrie ihn der Mann an.
    Doch dann erklang ein heiseres, druckvolles Brüllen, ein kurzer Laut, der fremdartig und bizarr von den Häuserfronten abglitt und durch die Gassen rollte. Ein König rief seine Ansprüche in die Nacht hinaus, als wollte er die Männer davor warnen, sich tiefer in sein Territorium zu begeben.
    Jean kannte kein Tier aus dem Gevaudan, das so klang, aber an dem Tag, an dem es den Zuhälter erwischt hatte, hatte er ein ähnliches Fauchen gehört, und so nahm er an, dass es sich um den Panter handelte. Wegen des Echos war es schwierig zu sagen, wo sich das Wandelwesen befand; es konnte überall sitzen und sie aus seinem Versteck heraus beobachten.
    »Monsieur, das war die Stimme unseres Feindes«, sagte Jean. »Capisce? Nemico! Lasst uns zusammen gegen ihn kämpfen und danach sehen, wie wir miteinander verfahren.«
    Plötzlich stand Judith neben

Weitere Kostenlose Bücher