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Sanctus

Sanctus

Titel: Sanctus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Simon Toyne
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liest.«
    »Könnte ich bitte mit ihm sprechen?«
    » Certamente «, antwortete Mariella.
    Das Rascheln eines Rocks und leise Schritte waren durch das Telefon zu hören, und Kathryn stellte sich vor, wie die Haushälterin ihres Vaters durch den dunklen Flur in Richtung des sanften Lichts ging, das aus dem Arbeitszimmer am anderen Ende des bescheidenen Hauses strömte. Schließlich verstummten die Schritte, und Kathryn hörte einen leisen Wortwechsel auf Portugiesisch; dann wurde das Telefon weitergegeben.
    »Kathryn ...« Die warme Stimme ihres Vaters überwand die Kontinente und beruhigte Kathryn sofort. Sein Tonfall verriet ihr, dass er lächelte.
    »Daddy ...« Trotz der schwerwiegenden Neuigkeit, die sie ihm mitzuteilen hatte, lächelte Kathryn ebenfalls.
    »Und? Wie ist das Wetter in Trahpah?«
    »Sonnig.«
    »Hier ist es kalt«, sagte er. »Ich habe ein Feuer im Kamin.«
    »Ich weiß, Daddy. Das hat mir Mariella schon erzählt. Hör zu ... Hier passiert etwas. Schalte mal CNN ein.«
    Kathryn hörte, wie ihr Vater Mariella bat, das kleine Fernsehgerät in der Ecke einzuschalten, und ihr Blick wanderte zu ihrem eigenen. Das Senderlogo zog über den Schirm; dann war wieder der Nachrichtensprecher zu sehen. Kathryn regelte die Lautstärke herauf. Über das Telefon hörte sie das Geplapper einer Spielshow, eine Seifenoper und ein paar Werbeclips – alles auf Portugiesisch – und schließlich den ernsten Tonfall der internationalen Nachrichten.
    Kathryn hob den Blick, als das Standbild hinter dem Moderator eine grün gewandete Gestalt auf dem Gipfel eines Bergs zeigte.
    Sie hörte, wie ihr Vater nach Luft schnappte. »Mein Gott«, keuchte er. »Ein Sanctus.«
    »Bis jetzt«, berichtete der Nachrichtensprecher, »gibt es keinerlei Stellungnahme aus dem Inneren der Zitadelle. Vielleicht kann ja Dr. Miriam Anata ein wenig Licht in dieses neueste Mysterium bringen. Dr. Anata ist eine anerkannte Expertin zu Trahpah und Autorin mehrerer Bücher über die Zitadelle.«
    Der Sprecher drehte sich auf seinem Stuhl zu einer großen, seriös dreinblickenden Frau Anfang fünfzig um. Die Frau trug einen marineblauen Nadelstreifenanzug über einem einfachen weißen T-Shirt, und ihr silbergraues Haar war zu einem asymmetrischen Bob geschnitten.
    »Dr. Anata, was schließen Sie aus den Ereignissen dieses Morgens?«
    »Ich denke, wir sind hier Zeugen von etwas ganz Außergewöhnlichem«, antwortete die Frau, beugte den Kopf nach vorne und schaute den Moderator mit kalten blauen Augen über ihre Brille hinweg an. »Dieser Mann gleicht nicht im Mindesten den Mönchen, die man bisweilen sieht, wenn sie Reparaturen an der Fassade vornehmen. Seine Soutane ist grün, nicht braun, und das ist von großer Bedeutung. Nur ein Orden trägt diese Farbe, und der ist vor neunhundert Jahren verschwunden.«
    »Und was ist das für ein Orden?«
    »Da seine Mitglieder stets in der Zitadelle gelebt haben, ist nur wenig über ihn bekannt; aber da man wenn überhaupt nur hoch oben am Berg welche von ihnen gesehen hat, können wir wohl davon ausgehen, dass es sich um einen sehr hochstehenden Orden gehandelt hat, vermutlich mit dem Schutz des Sakraments betraut.«
    Der Nachrichtensprecher legte die Hand an seinen Ohrkopfhörer. »Ich glaube, jetzt können wir live zur Zitadelle schalten.«
    Das Bild wurde umgeschaltet. Nun war der Mönch schon deutlicher zu sehen. Seine Soutane flatterte leicht im Morgenwind, und noch immer hatte er die Arme ausgestreckt.
    »Ja«, sagte der Nachrichtensprecher, »da ist er immer noch, hoch oben auf der Zitadelle, und er formt das Kreuzsymbol mit seinem Körper.«
    »Das ist kein Kreuz«, flüsterte Oscar, Kathryns Vater, ins Telefon, als das Bild langsam herausgezoomt wurde, um die Furcht erregende Höhe des Bergs zu verdeutlichen. »Er bildet einen Buchstaben, ein Tau. «
    *
    Im sanften Feuerschein des Kamins in seinem Arbeitszimmer in den Hügeln westlich von Rio de Janeiro starrte Oscar de la Cruz wie gebannt auf den Fernseher. Sein Haar war reinweiß und bildete einen starken Kontrast zu seiner dunklen Haut, die nach über einhundert Jahren lederig geworden war. Doch trotz seines hohen Alters leuchteten die dunklen Augen noch, und sein kompakter Leib strahlte nach wie vor eine ruhelose Energie aus – wie ein General, der in Friedenszeiten an den Schreibtisch gefesselt war.
    »Was denkst du?«, flüsterte ihm seine Tochter ins Ohr.
    Oscar dachte über die Frage nach. Fast sein ganzes Leben lang hatte er darauf

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