Sanft kommt der Tod
nichts mehr mit der Gegenwart zu tun.
Nicht das Mindeste.
Er war nicht im Schlafzimmer, als sie aus der Trockenkabine kam. Das hatte ebenfalls nichts zu bedeuten. Sie zog sich einen Jogginganzug an, suchte ein Paar Socken, die, wie sich herausstellte, aus reinem Kaschmir waren, und machte sich auf den Weg in ihr Büro.
Das direkt neben seinem Arbeitszimmer lag. Die Tür war auf, die Lichter brannten, und es war völlig normal, dass sie zu ihm hinüberging, um zu sehen, womit er beschäftigt war.
Er hatte seine Anzugjacke und das Hemd gegen einen schwarzen Wollpullover eingetauscht, saß hinter seinem Schreibtisch, und das dicke Fellknäuel, das ihr Kater war, hatte sich in einer Ecke des Arbeitsplatzes zusammengerollt und blinzelte ihn aus seinen zweifarbigen Augen müde an.
»Bist du noch am Arbeiten?« Noch während Eve das fragte, kam sie sich vollkommen dämlich vor.
»Ein bisschen. Und du?«
»Ich auch.« Sie wusste nicht genau, was sie mit ihren Händen anstellen sollte, weshalb sie die Daumen in die Hosentaschen schob. »Ich dachte, ich gehe meinen Fall noch einmal durch.«
Obwohl er sicher gerade eine Million Dinge tat, sah er sie fragend an. »Hättest du dabei gerne meine Hilfe?«
»Nein. Nein, ich komme auch alleine klar. Ist schließlich lauter Routinezeug.«
Er lenkte seinen Blick wieder auf den Computermonitor. »Wie du meinst. Gib mir einfach Bescheid, wenn du es dir anders überlegst.«
»Ja, okay.«
»Lieutenant«, meinte er, als sie sich wieder zum Gehen wandte. »Versuch, nicht mehr als vier Liter Kaffee zu trinken, ja?«
Aus irgendeinem Grund fühlte sie sich besser, nachdem er sie derart aufgezogen hatte, und so ging sie in die kleine Küche neben dem Büro und programmierte dort den AutoChef statt auf eine ganze nur auf eine halbe Kanne Kaffee.
Gut, dass er auch noch Arbeit hatte, dachte sie. So hätten sie beide in den nächsten ein, zwei Stunden ihre Beschäftigung.
Sie trug die Kaffeekanne in ihr Zimmer, um sich Peabodys Bericht über Craig Foster anzusehen.
Fluchend lehnte sie sich auf ihrem Stuhl zurück.
»Am besten bringe ich es einfach hinter mich«, murmelte sie leise vor sich hin. »Dann geht mir die Sache vielleicht endlich aus dem Kopf.« Sie gab den Namen Magdalena Percell in den Computer ein, und falls es unzählige Frauen dieses Namens gab, schränkte sie die Suche durch die Angabe des ungefähren Alters, die Beschreibung ihres Aussehens und des dank ihres Akzents erkennbaren Geburtslands ein. Bis sie endlich erfolgreich war.
PERCELL, MAGDALENA, GEBOREN AM 12. MÄRZ 2029 IN ST. PAUL, MINNESOTA. ELTERN PERCELL, JAMES UND KAREN. AUGENFARBE: GRÜN. GEWICHT: 52 KG. GRÖSSE: 1,65 M.
Eve überflog den Lebenslauf. Magdalena hatte schon mit fünfzehn ihren Highschool-Abschluss gemacht, war danach nach Princeton gegangen und hatte nach noch nicht einmal drei Jahren ihren Abschluss mit Auszeichnung in der Tasche gehabt. »Dann ist sie also alles andere als dumm.«
22. JUNI 2048 HEIRAT MIT DUPONT, ANDRE. KEINE KINDER. SCHEIDUNG MÄRZ 2051. 5. APRIL 2055 HEIRAT MIT FAYETTE, GEORGE. KEINE KINDER. SCHEIDUNG OKTOBER 2059.
GESCHÄTZTES VERMÖGEN: 13,5 MILLIONEN US-DOLLAR.
WOHNHAFT: PARIS, FRANKREICH; CANNES, FRANKREICH.
KEINE VORSTRAFEN.
Eve lehnte sich erneut zurück.
Die offiziellen Daten waren ziemlich dürftig, und das saubere Vorstrafenregister zweifelhaft, wenn Roarke behauptete, dass sie eine Zeitlang seine Partnerin gewesen war. Selbst wenn sie niemals verurteilt und verhaftet worden war, hätte eine Anmerkung in ihrer Akte sein sollen, dass sie zumindest irgendwann einmal vernommen worden war.
Er hatte die Akte für sie bereinigt, dachte Eve und spürte, wie sich ihr Magen zusammenzog. Er hatte sich in die Datei gehackt und sie genauso aufgeräumt wie seine eigene.
Er hatte sie beschützt.
Da es ihr unerwartet schwerfiel, das zu akzeptieren, brach sie kurzerhand die Suche ab. Sie wusste bereits mehr, als sie wissen wollte.
Also stürzte sie sich auf die Arbeit, las erst Peabodys Bericht und dann ihre eigenen Notizen, fing mit einer Überprüfung des Kollegiums von Fosters Schule an, malte erste Skizzen auf die Tafel, die in ihrem Zimmer stand. Sie freute sich diebisch, als der dicke Galahad in ihr Büro getrottet kam, um es sich in ihrem Schlafsessel bequem zu machen und ihr bei der Arbeit zuzusehen.
»Was wir haben«, klärte sie den Kater auf, während sie nach ihrer Kaffeetasse griff, »ist der totale Durchschnittsmensch. Keine besonderen
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