Sanft kommt der Tod
zusammengekniffenen, leuchtend blauen Augen an. »Oder vertraust du mir mit einem Mal nicht mehr?«
»Ich würde dir noch eher vertrauen, wenn du sie nicht ständig als alte Freundin bezeichnen würdest, obwohl wir beide wissen, dass sie etwas völlig anderes für dich war.«
»Was diese Frau auch immer für mich war, liegt zwölf Jahre zurück. Jahre, bevor ich dir zum ersten Mal begegnet bin.« Plötzlich drückte seine Stimme neben Kälte und Verärgerung ehrliches Verblüffen aus. »Meine Güte, bist du etwa eifersüchtig auf eine Frau, an die ich schon seit Jahren nicht mal mehr gedacht habe?«
Eve sah ihn einen Moment lang reglos an.
»Jetzt denkst du auf jeden Fall an sie«, erklärte sie und ließ ihn einfach stehen.
Sie joggte die Treppe hinab ins Erdgeschoss, wo sie auf Roarkes Majordomus, Aufpasser und Mann für alle Fälle traf. Ihr jedoch ging Summerset chronisch auf den Keks. Groß und dünn, wie stets von Kopf bis Fuß in Schwarz, das silbrig graue Haar zurückgekämmt, stand er mit verächtlicher Miene da.
Sie schnappte sich ihren Mantel, der wie stets über dem Treppenpfosten hing, und fuhr ihn rüde an: »Wenn Sie auch nur ein Wort zu mir sagen, ein verdammtes Wort, reiße ich Ihnen den Stock aus Ihrem Arsch und schlage Sie damit zu Brei.«
Sie stapfte Richtung Tür, drehte sich dort aber noch einmal zu dem Butler um. »Und sagen Sie Ihrem Boss, wenn ich eifersüchtig wäre, hätte ich ihn schon vor zwei Jahren grün und blau geschlagen. Gottverdammt.«
Summerset zog nachdenklich die Brauen hoch und blickte auf Roarke, der oben auf dem Treppenabsatz stand.
»Der Lieutenant scheint heute noch reizbarer als sonst zu sein«, bemerkte er.
»Sie hat einfach schlechte Laune.« Die Hände in den Hosentaschen, blickte Roarke stirnrunzelnd auf die Tür, die krachend hinter ihr ins Schloss gefallen war. Er fand, dass der Grund für ihre schlechte Laune ganz und gar nicht typisch für sie war. »Magdalena ist in der Stadt. Wir treffen uns heute zum Lunch, was Eve offenbar nicht passt.«
Er bemerkte den Blick, mit dem ihn Summerset bedachte, und sein mühsam unterdrückter Zorn gewann erneut die Oberhand. »Fangen Sie jetzt bloß nicht auch noch an. Ich habe schon genug Dramatik für den ganzen Tag erlebt, und dabei ist es nicht mal acht.«
»Weshalb wollen Sie Ihr Leben unnötig verkomplizieren?«
»Das tue ich doch gar nicht. Ich treffe sie, verdammt noch mal, zum Lunch, sonst nichts. Also lassen Sie mich bloß in Ruhe«, warnte er und stapfte ebenso erbost wie zuvor Eve davon.
Der Schnee am Straßenrand hatte sich in schmutzig grauen Matsch verwandelt, und auf den Gleitbändern und Bürgersteigen stellten rutschige, vereiste Flecken regelrechte Fallen für die Menschen dar. Halb erfrorene, dick vermummte Pendler standen an den Haltestellen für die Maxibusse, und die Schwebegrillbetreiber an den Ecken hatten die Feuer unter ihren Rosten nicht nur des Geschäfts, sondern auch des eigenen Komforts wegen entfacht.
Das Thermometer ihres Wagens zeigte grauenhafte Minusgrade an.
Eve ließ den Kopf aufs Lenkrad fallen, denn natürlich stand sie abermals in einem Stau. Sie hatte es vollkommen falsch gemacht. Sie hatte keine Ahnung, wie sie diese Sache hätte angehen sollen, aber so auf keinen Fall. Jetzt wäre er sauer auf sie, wenn er sich mit diesem ... Flittchen traf. Das war sicher keine gute Strategie.
Aber warum in aller Welt brauchte sie überhaupt so etwas wie eine Strategie?
»Ach, vergiss es«, sagte sie sich streng. »Das ist nur ein kleines Ärgernis, sonst nichts.«
Trotzdem kochte sie während des ganzen Wegs bis zum Revier und grübelte auch weiterhin darüber nach, als sie in einem überfüllten Fahrstuhl in ihre Abteilung fuhr.
Ohne die Kollegen auch nur eines Blickes zu würdigen, marschierte sie in ihr Büro. Machte die Tür hinter sich zu und bestellte sich einen Kaffee.
Dies hier war ihr Arbeitsplatz, erinnerte sie sich. Hier blieben private Angelegenheiten außen vor. Sie beschloss, ihren Kaffee zu trinken und aus dem winzigen Fenster des Büros zu sehen, bis ihr Kopf frei genug für ihre Arbeit war.
Sie trank immer noch Kaffee und starrte hinaus, als, nach einem kurzen Klopfen, Peabody den Raum betrat.
»Morgen. Und, wie war Ihr Essen gestern Abend?«
»Ich bin satt geworden. Holen Sie sich Ihren Mantel. Wir fahren zu Fosters Wohnung.«
»Jetzt? Sollte ich nicht vielleicht vorher Lissette Foster kontaktieren, um zu fragen, ob sie ...«
»Ich habe gesagt, Sie
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