Sanft kommt der Tod
als ob sich inzwischen ihr gesamtes Inneres schmerzlich zusammenzog. »Das wäre nicht nur beleidigend für uns beide, sondern liegt mir einfach nicht. Zumindest wäre ich darin niemals so gut wie sie. Am Ende liegt die Entscheidung bei ihm. So war es immer schon. Und jetzt muss ich arbeiten.«
Sie wandte sich zum Gehen, zwang sich dann aber, sich noch einmal umzudrehen und den Butler anzusehen. »Sie ist manipulativ. Das ist mir klar. Außerdem ist sie wunderschön, elegant, weltgewandt und smart. Sie können Ihren knochigen Arsch darauf verwetten: Sie ist smart genug, um sich inzwischen mit dem zufriedenzugeben, was Roarke ihr bieten kann. Ich hätte angenommen, dass Sie einen Freudentanz aufführen würden, wenn er mich gegen eine Frau ihres Kalibers tauscht.«
Sie musste tief Luft holen, damit ihre Stimme nicht zitterte, als sie weitersprach. »Sie würde nicht mit blutverschmierten Kleidern heimkommen, sie wüsste, welches Kleid sie auf der nächsten Dinnerparty tragen soll, und würde vor allem gar nicht erst vergessen, dass es diese gottverdammte Dinnerparty gibt, weil sie gerade über irgendeiner Leiche steht. Weshalb also erzählen Sie mir das alles?«
»Roarke könnte sich durchaus mit ihr schmücken. Sie spricht fließend französisch und italienisch und hat einen unerschöpflichen Vorrat an Charme, wenn sie ihn versprühen will. Und sie würde ihn benutzen. Sie würde ihn nach Kräften ausnehmen. Wenn es nötig wäre oder einfach, wenn sie Lust dazu hätte, würde sie ihn auch den Wölfen vorwerfen, nur um zu sehen, wer den Kampf gewinnt.«
Er trank seinen Whiskey aus. »Sie, Lieutenant, sind oft entsetzlich grob und vor allem unhöflich und haben keinerlei Gespür dafür, was von der Ehefrau eines Mannes in Roarkes Position in der Öffentlichkeit erwartet wird. Aber Sie würden, ungeachtet der Risiken für Sie, alles tun, um ihn vor Schaden zu bewahren. Sie wird ihn niemals lieben. Sie hingegen werden niemals etwas anderes tun.«
Nein, dachte sie, als sie den Raum verließ, sie würde niemals etwas anderes tun. Und war es nicht seltsam, dass sie vergessen hatte, wie viel Angst und Leid ab und zu mit Liebe verbunden war?
Das Gefühl kannte sie erst, seit sie ihm begegnet war. Diese schmerzliche, alles erschütternde Furcht, den Menschen zu verlieren, der ihr Leben war.
Genau wie den Trost, die Erregung und das überwältigende Glück, das wie eine dicke Decke über allem lag.
Sie ging direkt in ihr Büro und bestellte sich eine große Kanne Kaffee. Bevor sie Roarke begegnet war, hatte sie fast jede Nacht gearbeitet.
Es gab keinen Grund, das jetzt nicht ebenfalls zu tun.
Im Übrigen war es ihre Pflicht.
Ein Mann war tot. Ein offensichtlich netter Kerl, ein durchschnittlicher Mensch, der tatsächlich ein Gewinn für die Gesellschaft gewesen war.
Es gab keinen Hinweis darauf, dass er jemanden verletzt hatte oder jemandem hatte wehtun wollen. Er war kein Lüstling gewesen, hatte keine Drogen genommen und keine verkauft.
Hatte nichts gestohlen, niemanden erpresst und seine Frau nicht hintergangen.
Wenn ein Mann mit einer anderen Frau zu Mittag aß, war das noch kein Verrat an seiner Ehefrau, dachte sie, während sie die Kaffeekanne in ihr Arbeitszimmer trug. Selbst wenn er zwölf Jahre vor der Hochzeit eine andere durch Sonne und Mond gevögelt hatte, betrog er sie dadurch nicht.
Roarke würde sie niemals betrügen. Da konnte sie sich völlig sicher sein.
Aber würde er es wollen? Das war die Frage, um die es ging.
Und sie hatte mit Craig Foster nicht das Mindeste zu tun.
Sie stützte sich mit ihren Ellenbogen auf dem Schreibtisch ab und legte ihr Gesicht in ihre Hände. Sie musste einfach wieder einen freien Kopf bekommen, das war alles. Musste ihren Kopf befreien.
Wahrscheinlich ließ das blöde Dröhnen ihres Schädels erst etwas nach, wenn sie eine Schmerztablette nähme.
Wütend riss sie die oberste Schublade des Schreibtischs auf, denn dort hatte Roarke eine Schachtel mit kleinen blauen Pillen deponiert. Sie hasste es, Medikamente einzunehmen, aber sie könnte ganz einfach nicht denken, solange sie nicht eine Pille nahm.
Sie warf die Tablette ein und spülte sie mit einem Schluck Kaffee herunter, als der Kater durch die Tür geschossen kam, auf ihren Schreibtisch sprang und sich dort auf seinen dicken Hintern fallen ließ.
»Ich muss arbeiten.« Trotzdem war es seltsam tröstlich, mit der Hand über den Kopf des Tiers zu streichen und zu sehen, wie er sich genüsslich räkelte.
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