Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
die in letzter Zeit in Ihrem Haus waren. Vielleicht hat jemand etwas Verdächtiges bemerkt.«
»Hätte derjenige dann nicht längst Bescheid gegeben?«
»Kann sein, dass irgendetwas Wichtiges dem oder der Betreffenden selbst gar nicht verdächtig erschienen ist. Ich will versuchen, dem Gedächtnis auf die Sprünge zu helfen.« Sein Lächeln war hart; er verzog kaum die Lippen unter dem Schnauzbart. »Wie gesagt, ich komme zu Ihnen und kann Ihnen dann hoffentlich schon die Namen von ein paar potenziellen Bodyguards nennen.« Er lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Danke«, sagte sie. Als sie das Büro des Sheriffs verließ und den Weg zum Sportgeschäft einschlug, fühlte sie sich allerdings nur geringfügig besser. Sie hielt nichts von Waffen, und die Vorstellung, eine geladene Waffe in ihrem Haus zu wissen, war ihr zuwider, doch da ihre Familie bedroht war, brauchte sie eine zu ihrem Schutz. Sie hatte schon früher daran gedacht, Patronen für das Gewehr zu kaufen, war jedoch nicht dazu gekommen. Jetzt war es an der Zeit.
Du hast nie im Leben auf etwas anderes als Zielscheiben aus Pappe geschossen.
»Nun ja, einmal ist immer das erste Mal«, sagte sie leise zu sich selbst, als sie die Stufen des Gerichtsgebäudes hinunterstieg und sich den Schal fester um den Hals schlang.
Carter blickte ihr nach, als sie ging. Sie hatte Angst, und er konnte es ihr nicht verdenken. Nachdem sie über die Treppe verschwunden war, stand er auf, reckte sich, trat ans Fenster und blickte durch die vereisten Scheiben hinaus. Mehrere Chevrolet Blazer, ein Explorer, ein Pick-up und zwei Crown Victorias standen unten auf dem Parkplatz; ein paar Fußgänger gingen vorbei, die Köpfe zum Schutz gegen den Wind gesenkt. Auf der anderen Straßenseite fand bei Danby’s mal wieder ein Ausverkauf statt, und die Werbung dafür schloss einen auf die Schaufensterscheiben gemalten Weihnachtsmann ein.
Amerikanische Kleinstadt , dachte er.
Amerikanische Kleinstadt, in der eine Frau vermisst und eine andere tot aufgefunden wurde. Das gefiel Carter nicht. Ganz und gar nicht.
Lieutenant Sparks hatte ihn kurz zuvor angerufen. Das Zahnschema der Mavis Gette ließ sich wie erwartet schwer abgleichen, weil ihre Zähne abgeschliffen waren. Also wartete man jetzt auf das Ergebnis der DNA-Untersuchung. Es würde noch einige Zeit auf sich warten lassen, doch Gettes Cousine hatte bereits bestätigt, dass Mavis sich einmal das Schlüsselbein gebrochen hatte – und die Pathologen hatten an einem der bei der Leiche gefundenen Schlüsselbeine einen alten Bruch festgestellt. Carter war überzeugt, dass es sich bei der Unbekannten tatsächlich um Mavis Gette handelte. Das FBI stimmte dem zu, wie Sparks berichtet hatte, der persönlich mit den zuständigen Agenten in Kontakt stand. Aber warum hatte der Täter ihr die Zähne abgeschliffen? Warum klebte Alginat in ihrem Haar? War der Täter etwa so etwas wie ein überspannter psychopathischer Zahnarzt? Wie kam eine Frau, von der man zuletzt in Medford gehört hatte, an den Catwalk Point?
Der Sheriff ließ den Kopf kreisen, um die Verspannungen zu lindern, während er durchs Fenster beobachtete, wie Jenna Hughes über den Parkplatz eilte. Dabei glitt sie einmal aus und musste sich am Kotflügel eines der Crown Victorias abstützen.
Merkwürdig, was er für sie empfand. Er hatte angenommen, sie sei eine Hollywoodprinzessin, verwöhnt, anspruchsvoll. Doch da hatte er sich getäuscht. Zumindest hier, in Falls Crossing, war sie kein Star – nein, weit gefehlt. Sie war eine allein erziehende Mutter, die sich zu Tode ängstigte. Im Geiste ging er sämtlich Exbullen seiner Bekanntschaft durch, die bereit sein könnten, ihr als Bodyguard beizustehen. Er hakte sie alle als ungeeignet ab, und dann gab er sich sozusagen innerlich einen Tritt, als er den Grund erkannte. Dieser bestand nämlich in einem sonderbaren Zug von Eifersucht.
Es passte ihm nicht, dass jemand, den er kannte, sich um sie kümmern sollte.
Allerdings passte es ihm noch weniger, sie unbeschützt zu wissen.
Er selbst konnte den Job nicht annehmen.
Er hatte ohnehin schon mehr zu tun, als er bewältigen konnte.
Sein Blick folgte ihr, als sie sich hinter das Steuer ihres Jeeps setzte und vom Parkplatz fuhr. Der armselige Hund saß neben ihr auf dem Beifahrersitz.
»Du brauchst gar nichts zu sagen.« BJs Stimme ließ ihn herumfahren.
Er fühlte sich geradezu ertappt, als er sie in der Tür stehen sah, eine Schulter gegen den Rahmen gelehnt.
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