Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
sicherlich meilenweit zu hören war. Zitternd, voller Entsetzen starrte sie auf den Finger. O Gott, o Gott, o … Sie hörte Schritte und die Stimmen ihrer Töchter. »Mom! Mom!« Critter begann wie verrückt zu bellen. »Mom, ist alles in Ordnung?«
Über die Schulter sah Jenna Allie an der Tür stehen, mit blassem Gesicht und zitterndem Kinn. Allie krallte die Finger um den Türpfosten, ihre Nägel gruben sich in die Holzverkleidung. Cassie stand direkt hinter Allie, die Hände schützend auf die Schultern ihrer jüngeren Schwester gelegt, und sah Jenna angstvoll an. »Was ist los?«, flüsterte sie sichtlich erschrocken.
Reiß dich zusammen, Jenna. Vor den Mädchen musst du jetzt stark sein. Jenna holte tief Luft, warf einen Blick in die Schmuckschatulle und erkannte, dass das Blut nicht echt aussah … dass im Fleisch nichts von einem Knochen zu sehen war, dass … Was zum Teufel sollte das? Ihre Gedanken drehten sich im Kreise, und ihr wurde übel. Sie begriff, dass es sich nicht um einen echten Finger handelte, sondern um einen künstlichen, von der Art, wie sie für Filme produziert wurden. Die Art von Produktion, an die auch Carter schon gedacht hatte.
»Mom?«, fragte Cassie drängend.
»Ich … alles in Ordnung. Es war nur ein übler Scherz«, sagte sie. »Ein übler, perverser, grausiger Scherz.« Innerlich immer noch zitternd zwang sie sich zu lächeln. »Jemand hat mir ein Geschenk gebracht.«
»Zeig mal.« Mit dem beruhigenden Gefühl, dass nichts passiert war, trat Cassie an der entsetzten Allie vorbei ins Zimmer. »Heiliger Strohsack«, flüsterte sie. »Was ist das?«
»Künstlich.«
»Wo hast du den gefunden?«
»In meiner Schmuckschatulle.«
»Ich will das auch sehen.« Allie lief barfuß zum Frisiertisch. »Oh, würg!«, rief sie aus und verzog angewidert das Gesicht.
Cassie schüttelte den Kopf. »Aber wer …?«
Unten knarrte eine Tür. »Pssst!« Jenna legte den beiden Mädchen jeweils einen Arm um die Schultern.
»Jenna!« Turnquists Stimme dröhnte durchs Haus. Seine Schritte polterten auf der Treppe. »Jenna!«
Sie seufzte erleichtert auf. »Hier oben! In meinem Zimmer! Es ist nichts passiert!«
Mit gezückter Waffe stürmte er ins Zimmer. »Ich habe einen Schrei gehört.«
»Wieder mal Besuch gehabt«, sagte sie und wies mit einer Kopfbewegung auf das Schmuckkästchen.
Turnquist durchquerte mit langen Schritten das Zimmer. »Scheiße.« Er betrachtete den Finger, rührte ihn jedoch nicht an. »Was zum Teufel ist das?«
»Die Nachbildung eines Fingers. Der Scherz eines kranken Geistes.«
»Oder schlimmer. Die Ringe sehen echt aus.«
»Sie sind echt«, flüsterte sie, »oder verdammt gute Imitationen.« Ihr Magen verkrampfte sich. Wer war nur zu so etwas fähig? »Sie sehen aus wie Lynnetta Swaggarts Verlobungs- und Ehering.«
»Nein!«, schrie Cassie auf, und ihr ohnehin blasses Gesicht verlor alle Farbe. »Doch nicht die echten? Die hier sind nur … so ähnlich.«
»Sie sind mir neulich aufgefallen, als Lynnetta ein Kleid änderte. Wenn es nicht Lynnettas Ringe sind, dann sind sie verdammt gut nachgemacht.«
Allie riss die Augen auf. Sie schlang die Arme um ihre Mutter, und Jenna drückte sie an sich. »Ich habe Angst, Mom.«
»Ich auch, Schätzchen. Ich auch.« Zum ersten Mal im Leben wusste Jenna nicht weiter. Jemand war in ihr Haus eingedrungen; hier waren sie offenbar nicht sicher. Die Person, die sie terrorisierte, ging nach Belieben aus und ein. Trotz der Alarmanlage. Obwohl sie die Polizei eingeschaltet hatte. Trotz ihres verdammten Bodyguards.
Sie blickte durch das Fenster in den rieselnden Schnee hinaus und betete, der Strom möge nicht ausfallen.
Wohin konnte sie ihre Kinder bringen? Wo fand sie einen sicheren Zufluchtsort, an dem ihre Töchter außerhalb der Gefahrenzone wären? Und wie sollte sie sie fortbringen? Die Straßen waren nahezu unbefahrbar, und sämtliche Hotels in der Stadt waren voll belegt. Außerdem legte dieser Dreckskerl es offenbar gerade darauf an, dass sie vor ihm davonlief. Warum sonst sollte er ihr solche Angst einjagen? Wut mischte sich in ihre Angst. »Es wird alles gut«, sagte sie fest und strich Allie übers Haar.
Cassie sah ihre Mutter an, stumm, aber vorwurfsvoll wegen der Lüge. Ausnahmsweise lag in ihrem Blick keine Spur von Zorn, Respektlosigkeit oder Spott. Nur nackte Angst. »Ich finde, wir sollten über die Feiertage alle nach L. A. fahren.«
Jenna widersprach nicht, sagte aber: »Ich glaube, genau das will
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