Sanft will ich dich töten: Thriller (German Edition)
riet er Jenna.
Gähnend antwortete sie: »Das sollten Sie auch tun.«
Seine Lippen verzogen sich zu dem respektlosen Lächeln, das sie inzwischen so mochte. Unter dem Schnurrbart blitzten weiße Zähne. »Sie wissen doch, was man über schlechtes Gewissen und Ruhekissen sagt.«
»Ich dachte, es hieße ›ein gutes Gewissen …‹.«
»Kommt fast aufs selbe raus«, versetzte er. »Glauben Sie mir, heute bräuchte ich nicht mal ein Kissen.«
»Ich auch nicht«, sagte sie, schloss die Augen und bemühte sich, nicht an Wes Allen zu denken.
Auf Socken ging Carter noch ein letztes Mal durch das Haus. Er war seit über vierundzwanzig Stunden auf den Beinen. Seine Nerven waren überstrapaziert, und er fühlte sich, als hätte er zu viel getrunken, aber sie waren außer Gefahr. Zumindest für diese Nacht. In wenigen Stunden würde die Sonne aufgehen, und das Unwetter schien sich zu legen. Es war immer noch entsetzlich kalt, doch der Wind hatte nachgelassen und es schneite nicht mehr. Carter setzte sich an den Küchentisch, von wo aus er ins Arbeitszimmer blicken konnte, in dem die Kinder tief und fest schliefen. Auch das Sofa im Wohnzimmer und der Kamin lagen gerade noch in seinem Blickfeld, und so konnte er Jenna im Schlaf betrachten.
Er trank Kaffee, obwohl sein Magen bereits dagegen rebellierte, dachte an den bevorstehenden Tag und alles, was er sich dafür vorgenommen hatte, angefangen mit dem Abgleichen der Indizien, die möglicherweise einen Zusammenhang zwischen den Taten herstellten, über die Prüfung von Wes’ Alibis und Motiven bis hin zur Beantragung des Durchsuchungsbefehls für sein Haus und seine Scheunen. Diese riesigen Gebäude, die schon seit Jahren leer standen. Vielleicht fand sich dort noch mehr als der Videoraum, diese Weihestätte im Keller.
Aus dem Wohnzimmer hörte er ein Seufzen.
Carter sprang auf und lief hastig zum Sofa, auf dem Jenna mit vor Qual verzerrtem Gesicht wild um sich schlug. »Nein!«, stieß sie hervor, ohne jedoch die Augen zu öffnen. »Nein, bitte nicht.«
»Jenna«, flüsterte er und sah, dass sie zitterte. »Jenna. Wach auf. Alles ist gut. Ich bin bei dir.«
»Nicht. O nein, nicht.«
»Jenna«, sprach er sie ein wenig lauter an und fasste mit beiden Händen ihre zitternden Schultern. »Wach auf. Du träumst nur.«
Flatternd hoben sich ihre Lider.
Sie erschrak und hätte beinahe aufgeschrien.
»Pssst. Jenna, Liebes. Es ist alles in Ordnung«, sagte er und näherte sein Gesicht dem ihren, sodass sie ihn im Schein des Feuers erkennen konnte.
»Oh. Oh.« Sie zwinkerte, Tränen schossen ihr in die Augen. Ihr Gesicht war leichenblass, und sie zitterte, als fröre sie bis auf die Knochen.
»Es ist alles in Ordnung.«
Sie schniefte und schüttelte den Kopf. Er setzte sich neben sie auf das Sofa, ohne sie loszulassen, und sie barg den Kopf an seiner Schulter. »Es ging wieder um Cassie. Er hatte sie … Dieser gesichtslose Schweinehund hatte sie in seiner Gewalt!«
»Ihr fehlt nichts. Sie schläft im Arbeitszimmer.«
Jenna ließ sich nicht beruhigen. In ihre Bettdecke gehüllt ging sie zum Arbeitszimmer und spähte hinein. Ihre Töchter schliefen beide. Nicht einmal der Hund rührte sich. Jenna strich sich das Haar aus der Stirn und schien sich ein wenig zu beruhigen. »Wie spät ist es?«
»Noch früh.«
»Und?«
»Seit Sie eingeschlafen sind, ist nichts Außergewöhnliches passiert.«
»Gott sei Dank.« Sie reckte sich, wobei die Decke auseinander schlug und ihr Pullover hochrutschte, sodass ihr flacher Bauch zu sehen war. Carter spürte eine Spannung im Schritt. »Ich sollte aufstehen.«
»Sie sollten schlafen.«
»Und Sie?«, fragte sie gähnend und ließ die Arme sinken.
»Mir geht’s gut.«
»Ein Mann aus Stahl?«
Er lachte. »Das ist vielleicht ein bisschen übertrieben. Wohl eher ein Mann aus Alufolie.«
Sie lächelte, und ihre weißen Zähne blitzten verlockend zwischen den Lippen auf, lenkten seine Gedanken in eine ungewollte, gefährliche Richtung. »Ob Stahl oder Alufolie, ist mir eigentlich egal«, gestand sie und trat auf ihn zu. »Ich bin einfach nur froh, dass Sie hier sind.« Der Blick ihrer grünen Augen hielt den seinen fest. »Danke, Carter. Ich glaube, ich habe Sie in dieser Nacht sehr gebraucht.« Es klang wie eine sachliche Feststellung, und er erhob keine Einwände.
Stattdessen schob er, obwohl er wusste, dass er der größte Narr aller Zeiten war, seine Hände unter die Bettdecke, zog Jenna an sich und küsste sie. Zuerst ganz
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