Sankya
Sonnengeflecht.«
»Aber das ist nicht mein Staat. Er ist fremd … Oder bist du ihm fremd, Sasch?«
»Nein, ich nicht. Er ist allen fremd. Man muss ihn umbringen.«
Er dachte auch darüber nach, was Ljowa über die Verwandtschaft gesagt hatte, und fragte sich: »Und du selbst, spürst du diese Verwandtschaft … Erinnerst du dich, wie du aus deinem Dorf weggelaufen bist … Gibt es da eine Verbundenheit, du?«
»Es gibt sie. Es gibt sie. Ich hab nur keine Worte, um es zu beweisen.«
»Nun also … Und Jana?«
»Was ist mit Jana?«
»Ist sie mit dir verwandt? Deine Frau? Du hast sie doch verraten als es schmerzte … Hast du sie nicht sogar verflucht?«
»Hör auf, ich will nicht darüber sprechen. Ich will nicht. Ich habe sie nicht verraten. Nicht verflucht. Es hat einfach nur sehr wehgetan.«
Und er versteckte sich irgendwo vor seinen Gedanken. Er begann, irgendjemand anzuschauen. Den Mann gegenüber, ein hässliches Mädchen, ein Kind … Ganz besonders das Kind: Das guckte rührend umher, eineinhalb Jahre alt vermutlich. Ein sehr gutes Kind. Ein Tierchen, ja.
Im Bunker begrüßten sie ihn freudig, umarmten ihn – Sascha bat: »Nicht so stark.«
Matwej war nicht da, Jana auch nicht.
Der Teufel weiß, ob er Jana überhaupt sehen wollte – er wurde sich darüber nicht klar. Vermutlich wollte er schon. Nur für seinen ausgeschlagenen Zahn, seine schmierige unrasierte und abgemagerte Visage genierte er sich ein wenig.
Dann legte er sich bald ruhig hin, in eine Ecke, in einem hinteren, dunklen Raum des Bunkers. Die Jungs machten irgendwo hinter der Mauer Lärm, seine Seele atmete auf. Er schlief ein.
Am Morgen machten sich alle zum Meeting auf – auch Sascha beschloss, hinzugehen, obwohl ganz offensichtlich war, dass er noch schwach und nicht imstande war, schnell zu gehen. Er wollte aber auf jeden Fall hin.
Sascha liebte diese lauten, verrückten Umzüge durch die Stadt, mit Schreien und Krawall. Ringsum – verrückte Flaggen, im Inneren – ein erhebendes Gefühl.
In der Metro verschreckten sie das Volk – die »Sojusniki« begaben sich zum allgemeinen Sammelplatz. Sie lärmten, ernteten die feindseligen Blicke der Passanten. Manche beäugten sie zustimmend, oder zumindest mit Interesse: »Was für legendäre Wilde hier herumlaufen …«
Sascha fühlte sich inmitten der krakeelenden, bunten Masse immer ganz leicht, er wurde sogleich zu ihrem kleinen, aber zähen Bestandteil.
Sie trafen beim Denkmal des revolutionären Schriftstellers zusammen. Das Denkmal stand da als schwarzes, erkaltetes Feuer, das einen geraden, langen Schatten warf. In der Menge entdeckte Sascha die »Seinigen« – Jungs und Mädchen aus seiner Stadt, seiner Sektion. Der Schamane war da – ein gesunder, schwarzhaariger Typ. Der Löter war da – ein Musiker mit verrückten und ehrlichen Augen im roten Gesicht. Der Fernfahrer kam – er war früher tatsächlich durch das ganze Land gefahren, der Älteste in der Außenstelle … Posik war da, Negativs Bruder, mit düsterem Gesicht: Er grinste so, dass Sascha fast geweint hätte. Er umarmte ihn zärtlich. Noch irgendwelche jungen Pflänzchen – die »Sojusniki« des letzten Jahrgangs.
»Und wer bist du?«, fragte Sascha und schaute das Mädchen an, ein junges Mädchen.
»Wera«, antwortete sie.
Das Jungvolk schielte schamhaft zu Sascha: Sie wussten, was ihm passiert war, bewunderten ihn dafür. Aber solche wie ihn, die Schlägereien und Gefängnis, selbst Hungerstreik erlebt hatten, gab es viele, Dutzende, möglicherweise sogar schon Hunderte. Saschka genierte sich ein wenig für die Aufmerksamkeit.
… Nach den jüngsten Ausschreitungen im Zentrum der Hauptstadt hatte die Staatsmacht beschlossenen, eine abenteuerliche Menge an Miliz heranzukarren. Saschka hatte es zuerst gar nicht geglaubt, dass Meeting und Marsch genehmigt wurden, doch im Bunker war erklärt worden, dass sie sich, hätte man ihren lautstarken Spaziergang verboten, dann einfach ohne Erlaubnis an einem anderen Platz versammeln würden. Dann müssten alle auseinander getrieben werden: das sei aber – wie leicht zu verstehen wäre – keine einfache Sache.
»Sie haben Angst, die Schweine«, überlegte Sascha. Es gefiel ihm, dass sie Angst hatten.
Weit ausschreitend und aus voller Kehle brüllend, trampelten sie durch Moskau. Vom Trottoir aus, wo die Passanten stehenblieben, die sich schon aus der Ferne nach dem Lärm und Gestampfe umgedreht hatten, waren die »Sojusniki« nicht genau zu
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