Sanssouci
vermutet, der stinkt. Doppelleben. Allerlei Unzüchtiges, in die verschiedensten Richtungen. Verbotenes. Da sind schon ganz andere darüber gestolpert. Man soll niemanden verurteilen. Wer kann schon etwas für sich? Wir sind alle arme Sünder vor dem Herrn. Aber was soll man darüber reden? Nein, ich will nicht darüber reden. Alles, was ich rede, steht doch gleich wieder in der Zeitung. Ich habe da einen Trick: nichts bestätigen, nichts leugnen. Kennt ihr die Geschichte von dem russischen Freund, der Mönch geworden ist? Heike: Woher kennst denn du den schon wieder?
Der Baron schaute teilnahmslos vor sich hin. Dann lächelte er, als sei ihm gerade etwas eingefallen. Heike, sagte er, du bist ein kluges Mädchen. Hehe. (Er trank, sah selig aus und legte Heike seinen Arm um die Schulter. Sie stieß ihn fort.)
Der alte Baron war ein Schwätzer, der ständig irgendwelche Geschichten erfand. Meistens erzählte er vom Krieg. Er hatte in den verschiedensten Ländern in den verschiedensten Waffengattungen gekämpft, von Italien bis Übersee. Mal erzählte er, was er mit denStallmägden im italienischen Gefangenenlager angestellt habe, mal erzählte er, er sei Bomberpilot gewesen, dann erzählte er von Amerika, Kriegsgefangenschaft dort, und alles zusammen schloß sich gegenseitig natürlich vollkommen aus. Im übrigen war der alte Baron nicht alt genug für den Krieg. Man schätzte ihn auf Mitte Siebzig. Die beiden Zwillinge wußten aber auch, daß der Alte ein Gespür für Menschen, Zusammenhänge und überhaupt alles hatte, was in Potsdam geschah. Vielleicht war es die Wahrheit, was er sagte, vielleicht wurde über Hornung und sie gesprochen, vielleicht nicht. Der Baron: Es wird ja sogar behauptet, er habe euch Asyl gegeben, er habe euch das Haus zur Verfügung gestellt. Und was die Leute meinen, wie es im Haus so zuging, könnt ihr euch ja wohl denken. Alles eine Sache der Phantasie. Was ihr aber über den Malkowski erzählt, kann ich mir nicht vorstellen. Ich glaube, der ist ein ganz langweiliger Mensch. Dem würdest du nicht mal im Bordell begegnen, der hat doch vor allem Angst. Wißt ihr, was der tut? Der sitzt im Weinkontor herum, geht in den Delikatessenladen und kauft sich französische Salami, hundert Gramm für vier Euro fünfzig. So einer ist das. Mir übrigens hat er nicht mal ein Bier ausgegeben. Sie: Hast du für ihn gearbeitet? Er: Hm, ja, ich war mal bei ihm auf dem Grundstück. Er hatte jemanden für den Garten gesucht. Aber er war mir nicht sympathisch. Jemand, der Geld hat und so aufs Geld schaut, das paßt mir nicht zusammen. Jetzt hat er den Russen, diesen Hofmann, er kommt aus Sibirien, kennt ihr den? Völlig unglücklicher Mensch. Hat eben noch ein Kind von seiner Frau bekommen, und jetzt ist die Familie ganzauseinander. Das heißt, er wohnt immer noch zu Hause, aber er hat sein Bett in die Garage geräumt, da hält er sich die meiste Zeit auch auf, er hält das Geschrei des Kleinen nicht aus. Übrigens hat er eine bildhübsche Tochter, dieser bestimmte russische Typ, wißt ihr, so ein Täubchen, sechzehn oder siebzehn, hehe, genau in eurem Alter, das ist seine Tochter. (Der Baron schnalzte unappetitlich mit den Fingern und steckte seine Zunge zwischen die Lippen.) Arnold: Von wem redest du? Er: Ich rede von dem Russen, dem Hofmann. Der war übrigens auch da. Arnold: Wo? Er: Na, heute nacht, im Garten. Arnold: Wirklich? Das erfindest du doch. Nils hat behauptet, er sei die ganze Nacht allein gewesen. Der Alte: Das kann er gern behaupten, aber es stimmt nicht. Allerdings muß er von dem Russen nichts mitbekommen haben, der war nur im Garten, nicht im Haus. Aber allein war euer schüchterner Freund nicht. Um zwei verließ er das Haus, blies die Kerze aus, gegen drei war er wieder da, diesmal hatte er jemanden dabei. Arnold: Wen? Wer war dabei? Der Baron: Wer war wohl dabei? Ein Mädchen war dabei. Die Kerze zündete er übrigens gar nicht mehr an. Arnold: Das erfindest du! Er: Ich erfinde nichts, so wahr ich der alte Baron bin. Ich bin der einzige Mensch, der immer die Wahrheit sagt. Arnold: Blödsinn. Du lügst wie gedruckt. Kanntest du das Mädchen? Er: Nein. Es war auch ziemlich dunkel. Nur einmal, als euer Freund die Tür aufmachte, drehte er kurz das Licht an, da sah ich etwas. Aber ich konnte sie nicht erkennen. Rote Haare hatte sie.
Arnold und Heike standen jetzt auf und wollten weiter. Der Baron blieb sitzen, der Mann vom Kiosk hatteihm noch eine Flasche Bier versprochen. Arnold meinte zum
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