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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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Baron, er müsse sich keine Sorgen machen, es sei ihnen egal, ob er sich in Hornungs Garten herumtreibe oder nicht. Der alte Mann nickte. Dann gingen die beiden Zwillinge zu Hornungs Haus.
    Unterwegs waren sie in Gedanken. Ihnen stand wieder jene Nacht vor Augen, eine Nacht, für die sie keine andere Bezeichnung gefunden hatten als »jene Nacht«. Auch untereinander sprachen sie nur in Andeutungen über das, was geschehen war. Jeder hatte diese Nacht auf eine andere Weise verlebt, Heike zum Beispiel war die meiste Zeit allein in einem Raum gewesen, Malkowski hatte sich nur eine halbe Stunde in ihrem Zimmer befunden. Was in den anderen Räumen passiert war, wußte sie nicht. Einmal war auch Arnold kurz hereingekommen, aber das war, glaubte sie, von Malkowski gar nicht bemerkt worden. Malkowski war in einem eigenartigen Zustand gewesen, vielleicht hatte Arnold ihm etwas gegeben, Alkohol oder irgendeine andere Droge. Malkowski hatte auf sie den Eindruck gemacht, als habe er gerade etwas erlebt, das ihn vollkommen überrascht hatte. Vielleicht hing es mit Arnold zusammen. Arnold sprach aber nicht darüber, denn sie vermieden das Thema, soweit es ging.
    Hinsichtlich dessen, was Malkowski mit ihr getan hatte, war sie vollkommen ruhig. Sie machte sich diesbezüglich keine Gedanken, auch wenn Arnold ihr das nicht glaubte. Eine Zeitlang hatte Arnold behauptet, daß sie in jener Nacht Mitleid mit Malkowski gehabt und sich sogar für ein paar Minuten auf eine geheime, seelische Weise mit ihm verbunden habe … Er behauptete,Malkowskis Gesicht, das Minuten vorher noch angsterfüllt gewesen sei, habe, als er, Arnold, das Zimmer betrat, einen völlig beruhigten Ausdruck gehabt und sei wie das eines kleinen Kindes gewesen, und Heike, behauptete er, sei ebenso ruhig gewesen …
    Arnold lief wuterfüllt neben seiner Schwester her. Er wollte seine Schwester unbedingt gegen alles verteidigen, glaubte aber dennoch, sie benutzt zu haben. Manchmal hatte er ein so schlechtes Gewissen, daß er dachte, er müsse sich auf der Stelle umbringen. Unwillkürlich betrachtete er seine Arme, die auf der Innenseite mit zahlreichen Schnitten übersät waren. Jetzt mußte er lächeln. Da Arnold diese eigentümlich sandfarbene, fast braune Haut hatte … wie seine Schwester … waren die Schnitte kaum zu sehen, obgleich er damals sogar noch Chemikalien hineingegossen hatte, um sie zu verewigen in seiner grenzenlosen Eitelkeit, die er wie einen Rausch gefühlt hatte, als sei ihm alles möglich … alles! Das war die erste Einübung. Es war ihm ganz leicht gefallen, und seitdem kannte er das Gefühl von Macht. So war der Anfang gewesen.
    Sie kamen zu Hornungs Haus und öffneten das Gatter. Arnold sagte, daß er überhaupt nicht begriffen habe, wovon der Baron die ganze Zeit geredet habe. Was soll denn dieser Russe hier gewollt haben? Und Nils soll mit einem Mädchen hier gewesen sein? Nils mit einem Mädchen? Das ist doch nicht …
    In diesem Moment sah Arnold im Licht der Straßenlaterne einen Schatten im Garten. Der Schatten war eben über die Eingangstür gehuscht und nun hinter die Heckeneben dem Türvorbau entwichen. Hast du das gesehen, fragte er. Heike: Nein, was? Er: Es ist jemand im Garten. Sie: Wer denn? Er: Keine Ahnung, woher soll ich das wissen? Es war der Schatten eines Mannes. Heike: Wenn wir den Schatten fangen wollen, sollten wir leiser sein. Geh du links um das Haus, ich gehe rechts herum, dann kann er uns nicht entkommen, es sei denn, er landet bei Frau Schmidt. Arnold: Nein, wir bleiben zusammen, ich lasse dich nicht allein ums Haus gehen. Komm! Arnold nahm Heikes Hand und zog sie hinter sich her. Mein Gott, das ist doch bescheuert, flüsterte sie.
    Beide blieben eng an der Hauswand und schauten zuerst hinter die Hecke, die dort gepflanzt war. Niemand war da. Arnold tastete mit seinen Händen im Dunkeln bis zur Wand. Er tastete alles genau ab, Meter für Meter, dann drehte er sich um und stellte fest, daß seine Schwester nicht mehr hinter ihm stand. Er wollte nach ihr rufen, besann sich dann aber anders. So ein Mist, dachte er. Vielleicht treibt sich der Russe hier herum, von dem der alte Baron gesprochen hat? Wenn Heike ihm in die Arme läuft? Kommen inzwischen eigentlich dauernd Leute in den Garten hier? Arnold verließ den Schutz der Hauswand, schaute sich um und wollte nun um das Haus herumgehen, um von der Garage aus Licht im Garten anzuschalten. Dann aber hörte er Stimmen und lauschte. Heike, rief er. Ja? rief sie zurück. Er:

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