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Sanssouci

Sanssouci

Titel: Sanssouci Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andreas Maier
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verstummte. Er musterte die Reihen. Der Rufer saß im mittleren Drittel, es handelte sich um einen unauffälligen, älteren Mann. Der Mann blickte sich um, weil ihn alle anstarrten, räusperte sich und sagte halblaut: Ist doch wahr.
    Meckel redete weiter, entwarf noch einmal dasursprüngliche Konzept, für das der Westdeutsche geholt worden war, und legte dar, inwieweit Hornung dieses Konzept von Anfang an konterkariert habe, weil er dessen Geist besser verstanden habe als die, die das Konzept entworfen hatten. Anschließend ging er auf die Widerstände ein, auf die Hornungs Oststadt natürlich nach wie vor in gewissen Teilen der Bevölkerung stoße.
    Ich bin ich und kein gewisser Teil der Bevölkerung, rief eine Frau.
    Jaja, ruhig jetzt, rief ein anderer.
    Meckel mußte auf diese Einwürfe nicht reagieren, denn es herrschte gleich wieder Ruhe, so daß er fortfahren konnte. Allerdings ging jetzt erneut die Tür auf, und es kamen noch einige weitere Personen in den Saal. Unter anderem erschien Ludwig Hofmann. Er stellte sich hinten an die Wand, hörte zu und fiel nicht weiter auf. Auch der alte Baron kam herein, angesichts seiner ging ein Raunen durch die Menge. Seine Anwesenheit verstieß gegen alle Etikette. Dennoch wurde dem alten Mann Platz gemacht, er setzte sich auf den äußersten Platz der hinteren Reihe und stützte sich auf seinen Stock.
    Natürlich, Widerstände, sagte Meckel. Wie sollte ein Künstler nicht auf Widerstände stoßen? Stößt er nicht auf Widerstände, was wäre seine Kunst anderes als eine Gefälligkeit? Wir wünschen ja gerade die Widerstände, wir fordern sie ja geradezu! Und deshalb müssen wir uns natürlich auch als Verwaltung diesen Widerständen stellen, und natürlich ist es so, daß nicht jeder immer so dabei wegkommt, wie er es sich wünscht. Und gerade um uns von dieser oft subjektiven, manchmal sogar eitlen Sichtzu befreien, muß man … also … kann man … er wolle sagen … wünschen wir uns ja gerade diese Widerstände in der Kunst. Ohne Widerstände keine Kunst. Das ist nun einmal so, und er spreche hier ohnehin nur deshalb über eine solche Selbstverständlichkeit, damit auch im rechten Licht erscheine, wie der Magistrat und das Kulturamt zu ihrer Entscheidung stehen, diesen bedeutenden Filmschaffenden – völlig zu Recht – nach Potsdam geholt zu haben. Damit das draußen nicht wieder dargestellt wird, als würde man sich hier über alles empören! Wir sind Oststadt, freilich sind wir es, aber wir haben stets die Möglichkeit, auch anders zu sein. Beharren wir nicht zu sehr darauf, nicht zu sein, wie wir geschildert werden, sonst laufen wir Gefahr, genau zu sein, wie wir nicht sein wollen.
    Und wie wir gezeigt werden, rief es aus dem Saal.
    Ein bemerkenswertes Gesetz, das hier aufgestellt wird, rief eine andere Stimme.
    Ja, so sein, wie wir nicht sind, damit wir sind, wie wir sind!
    Der Hornung hätte von Anfang an hinausgeworfen gehört!
    Manche sprangen auf und riefen, hier beweise sich erneut, daß Hornung in allem recht gehabt habe. Diese Stadt sei der Wahrheit gegenüber resistent und in allen kulturellen Dingen verlogen.
    Wir, die fröhliche Klitsche, rief begeistert der kleine Michael Schwarz mit seiner Baßstimme und traf damit die Meinung nicht weniger im Saal.
    Mähähä, machte Pöhland. Overbeck drehte sichempört um, weil jemand aus der Gruppe seiner jungen Anhänger wie eine Ziege meckerte. Er entzog ihm innerlich sein Patronat. Buchhändler Wenk hielt sich mit wachsender Verzweiflung die Hände vor das Gesicht.
    Meckel mußte einige Energie aufwenden, um für Ruhe zu sorgen, damit er in seinem Vortrag fortfahren konnte. Er wies darauf hin, daß Oststadt wachsende Zuschauerzahlen im ganzen Sendegebiet des Landessenders habe und daß inzwischen auch schon Menschen in die Stadt kämen, um Orte zu besichtigen, die sie aus Oststadt kennten. Es habe unter der verdienstvollen Mitwirkung des allseits geschätzten Erich Overbeck (er wies auf Overbeck) Führungen durch den Schlaatz gegeben, weil neuerdings besonders großes Interesse am Schlaatz entstanden sei, was sie sicherlich ohne die Fernsehserie nicht erreicht hätten. Der Schlaatz sei zu einem Markenzeichen der Stadt geworden.
    Merke man das auch auf dem Wohnungsmarkt? rief jemand.
    Auf in die Platte! rief ein anderer.
    Meckel kommentierte diesen Einwurf nicht, sondern wollte das Wort nun dem Magistratsvorsitzenden übergeben.
    Immer mehr Stimmen wurden hörbar. Man nahm die Beiträge amüsiert zur Kenntnis,

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