Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Santa Clause - Eine Unglaubliche Geschichte

Santa Clause - Eine Unglaubliche Geschichte

Titel: Santa Clause - Eine Unglaubliche Geschichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Joan D.Vinge
Vom Netzwerk:
könnte er die Vergangenheit fortscheuchen wie eine Fliege. »Ich meine, wir wollen uns doch nichts vormachen — ein freier Geist wie ich kann sich unter der Bürde der Verantwortung nicht entfalten.« Als er sah, was Anya für ein Gesicht machte bei seiner Rede, verlor er den Faden, räusperte sich und blickte zu Boden. »Nun, ja«, murmelte er, »jeder Elf hat seinen Platz, und meiner ist das Bett, wohin ich eigentlich schon lange gehöre. Deshalb möchte ich mich lieber trollen. Gute Nacht, Madam.« Er griff zum Abschied höflich an seine Kappe, drehte sich um und eilte, tapfer, wenn auch etwas schrill, eine Melodie vor sich hinpfeifend, aus der Wohnung. Anya verharrte einen Moment bewegungslos hinter der Tür. Sie hatte ein Gefühl, als hätte sie sich in eine Eisstatue verwandelt. Dann seufzte sie, schüttelte den Kopf und ging zum Fenster, um nachzusehen, was der Auflauf unten in der Halle bedeutete.
    Fleck stieg auf bleiernen Füßen die Wendeltreppe zur Halle hinunter. Er sah hinüber zu der Werkstätte, wo er bis heute nach Santa Claus die wichtigste Rolle gespielt hatte. Und zugleich wurde er Zeuge, wie Santa Claus, der ihm den Rücken zudrehte, diesem aufgeblasenen Puffy vor ein paar Dutzend neugieriger Elfen seine Assistentenschürze überreichte. Falls sich die Neuigkeit nicht längst herumgesprochen hatte (Elfen schwätzten für ihr Leben gern), fand seine Schande nun amtliche Bestätigung. Santa hatte es verflucht eilig, dachte Fleck bitter. Er konnte Santas Gesicht nicht sehen; nicht den Kummer, der seine sonst so lustig zwinkernden blauen Augen trübte, als er Puffy die Schürze umband. Santa gönnte Puffy die neue Würde, denn er war zweifellos ein gewissenhafter und guter Arbeiter. Fleck freilich . . . Fleck war für ihn immer etwas Besonderes gewesen. Wenn er doch nur vor lauter Genialität seine Sorgfaltspflicht nicht vergessen hätte . . . Mit einem tiefen Seufzer drehte Santa sich um.
    Da erstarrte Flecks Gesicht zu einer Maske gleichgültiger Ruhe, unter der er seinen Schmerz und seine Scham versteckte, als er, von den neugierigen Blicken der Elfen verfolgt, durch die Halle hastete und in den Korridoren dahinter verschwand.
    Fleck eilte durch die Gänge zu den Ställen, wo er immer noch schlief und für das Wohlbefinden der Rentiere sorgte. Die Tiere betrachteten ihn in stummer Neugierde, als er seine Sachen zusammensuchte. Nun, da ihm bis auf die verschwiegenen Tiere niemand zuhörte, konnte er endlich seinem Ärger Luft machen. Er hatte geglaubt, Santa Claus mochte ihn. Irrtum, er hatte gar nichts für ihn übrig. Ein kleiner Fehler, und alle seine guten Werke waren vergessen. . . Obwohl er im Grunde seines Herzens wußte, daß es keineswegs ein kleiner Fehler gewesen war, sondern vielmehr ein riesiger, irreparabler Fehler, den ihm keiner verzeihen konnte, am wenigsten er selbst . . . ein so furchtbarer Fehler, daß er ihn nicht einmal einzugestehen wagte . . . nicht einmal sich selbst . . .
    »Wartet nur, bis er aufwacht und entdeckt, daß sein freier Geist davongegeistert ist«, murmelte er, mehr zu sich als zu den Rentieren. Hatte er nicht gute Arbeit geleistet? Hatte er ihnen nicht genau das geliefert, was sie hier brauchten – eine moderne Spielzeugfabrik? Nun, sie hatte ein paar Mucken . . . wer war schon ohne Fehler? Santa hätte ihm eine zweite Chance geben können. Schließlich war es ja nur ein Versehen, keine Absicht . . .
    Er zog die hellroten Türen seines Vorratsschrankes auf und suchte nach einem Tuch, in das er seine Sachen einschlagen konnte. Während er in den Schrankfächern kramte, fiel ihm das Goldene Regelbuch der Elfen in die Hände. Er schob es ungeduldig zur Seite und sah dahinter etwas glitzern. Das war das Säckchen mit dem magischen Sternenstaub, den er jedes Jahr dem Rentierfutter zusetzte. Er starrte es an, ohne es wirklich zu sehen. »O ja«, fuhr er fort, »dann werdet ihr ihn jammern hören; doch dann ist es zu spät. ›Warum habe ich Fleck nur so schlecht behandelt?‹ wird er sagen. ›Warum habe ich ihm nicht rechtzeitig gesagt, was ich ihm alles verdanke?‹ So einen guten Assistenten wie mich bekommt er nie wieder. Aber was hilft das schon — er mag mich einfach nicht!«
    Mit seinem Schmerz lebte nun alles wieder auf, was ihn schon vor Santas Zeit bedrückt hatte – die Angst, verkannt zu sein und mißverstanden, und zugleich die uneingestandene Sorge, die ihn stets geplagt hatte, daß vielleicht die Elfen, die ihn kritisierten, doch recht hatten .

Weitere Kostenlose Bücher