Santa Clause - Eine Unglaubliche Geschichte
sich vermutlich als Obdachlose besser durchgebracht, als er es konnte. Doch noch wichtiger als das Essen und die Kleider war die Freundschaft, die sie ihm schenkte — das Wissen, daß da jemand war in der Welt, der ihn mochte und- seine Gesellschaft schätzte. Die beiden elternlosen Kinder waren Freunde geworden, seit diese ungewöhnliche Person namens Santa Claus sie in einer Weihnachtsnacht zusammengebracht hatte. Und da sie noch viele andere überraschende Gemeinsamkeiten entdeckten, war daraus eine Freundschaft geworden, die so stark und zuverlässig war, daß sie fast jede Schwierigkeit überwand.
Santa schmunzelte gerührt und zugleich amüsiert über Joes Erröten. Er erinnerte ihn an seine eigene, so weit zurückliegende Jugendzeit. Auch er war mit Anya schon als Kind befreundet gewesen. »Natürlich habe ich etwas für sie mitgebracht«, sagte er, als ihm einfiel, daß er noch Joes Frage beantworten mußte. »Sie schrieb mir einen reizenden Brief, dieses Mädchen.« Sie hatte sich herzlich für seinen letzten Besuch in ihrem Haus bedankt, und er hatte sich sehr darüber gefreut; denn in den meisten Briefen, die er bekam, stand kein Wort von Dankbarkeit. »Sie wünschte sich ein Spielzeugklavier.« Er sah wieder auf Joe zurück. »Nun? Wollen wir?« fragte er gutgelaunt.
»Wie bitte?« erwiderte Joe verwirrt.
»Wo bleibt das Kommando zur Abfahrt?« Santa deutete auf die Rentiere.
»Oh, natürlich!« sagte Joe, als ihm das entsprechende Wort wieder einfiel. Sein Herz machte einen Satz. Er durfte wieder den Schlitten kutschieren! Er holte tief Luft und rief dann laut und deutlich: »Hü!«
Die Rentiere sprengten auf sein Wort hin über das Dach und erhoben sich mit einem Satz hinauf in die Luft. Für Joe und Santa hatte der Weihnachtsabend nun wirklich begonnen.
Kalt und klar dämmerte der Weihnachtsmorgen herauf. In den Häusern und Wohnungen der ganzen Welt erwachten die Kinder und rannten ins Wohnzimmer, um nachzusehen, was man ihnen für Überraschungen auf den Tisch, unter den Weihnachtsbaum oder neben den Kamin gelegt hatte.
In einer hellen, sonnigen Wohnung in Queens hüpfte ein kleiner Junge mit blonden zerzausten Haaren die Treppe hinunter. Er trug noch seinen Schlafanzug und hatte ganz große Augen vor Aufregung, als er ins Wohnzimmer kam. Er rannte zum Christbaum, warf sich dort auf den Teppich und nahm das kleine, in gewürfeltes Papier eingewickelte Geschenk, das ihn unter dem Baum erwartete. Er hatte gestern abend den Fernsehauftritt des Elfen miterlebt, und von diesem Augenblick an dachte er nicht ein einziges Mal an Santa Claus.
Als er das Papier von der Schachtel heruntergerissen hatte, nahm er den Deckel ab und sah hinein. Ein kleiner rotbrauner Lollipop lag darin, wie der Elf es versprochen hatte. Es war der schönste Lutscher, den er in seinem Leben gesehen hatte, denn er schien von innen her zu strahlen wie eine brennende Kerze am Weihnachtsbaum. Er enthielt nämlich in der Mitte der Bonbonmasse ein winziges Körnchen Sternenstaub – ein Körnchen von dem magischen Staub, der eigentlich dazu bestimmt war,die Beine von Santas Rentieren, die er ins Elfendorf mitgebracht hatte, so zu verzaubern, daß sie wie mit Flügeln durch den Himmel traben konnten.
Das aufgeregte kleine Kerlchen steckte den Lutscher in den Mund und begann daran zu saugen. Der Lollipop hatte einen unbestimmten süßen Geschmack, der ihn vage an Kaugummi erinnerte; aber auch an Kirschsirup, wenngleich sich das Aroma nicht eindeutig bestimmen ließ. Man hatte dem Lollipop einen Geschmack gegeben, der allen Kindern auf der Welt zusagen mußte.
Den Lutscher im Mund, machte der kleine Junge einen Schritt, und dann noch einen, weil er sich auch die anderen Geschenke unter dem Baum anschauen wollte. Doch bei seinem dritten Schritt geschah etwas Merkwürdiges: Er stieg in die Luft hinauf, als habe er eine unsichtbare Trittleiter unter den Füßen, und beim nächsten Schritt war er schon auf halber Höhe zwischen Decke und Fußboden und schwebte dort, während er vor Entzücken Mund und Augen aufriß. Das Geschenk des Elfen war tatsächlich das Wunderbarste, das er je in seinem Leben bekommen hatte. Damit konnte er in der Luft gehen wie auf festem Boden.
Langsam ließ er sich wieder hinunter auf den Teppich, mit einem immer noch vor Staunen verklärten Gesicht. Er bewegte sich nun sehr vorsichtig, damit er nicht wieder zur Decke hinaufschwebte, und begab sich in die Küche.
Seine Mutter stand in der Vorratskammer und
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