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Saphirblau

Saphirblau

Titel: Saphirblau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kerstin Gier
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und ab und wurde noch nervöser, als er uns auf sich zukommen sah.
    »Ach, Sie sind's«, sagte Charlotte auffallend unerfreut und Mr Marley errötete. Charlotte warf durch die geöffnete Tür einen Blick ins Innere der Limousine. Sie war leer, bis auf den Fahrer und - Xemerius. Charlotte sah enttäuscht aus, was mir wiederum Auftrieb gab.
    »Du hast mich wohl vermisst?« Xemerius lümmelte sich zufrieden in die Sitze, als der Wagen losschnurrte. Mr Marley war vorne eingestiegen und Charlotte neben mir starrte stumm aus dem Fenster.
    »Das ist gut«, sagte Xemerius, ohne meine Antwort abzuwarten. »Aber du verstehst sicher, dass ich auch noch andere Verpflichtungen habe, als immer nur auf dich aufzupassen.«
    Ich verdrehte meine Augen und Xemerius kicherte.
    Ich hatte ihn wirklich vermisst. Der Unterricht hatte sich gezogen wie Kaugummi, und spätestens als Mrs Counter endlos über die Bodenschätze des Baltikums referierte, hatte ich mich nach Xemerius und seinen Bemerkungen gesehnt. Außerdem hätte ich ihn gern Leslie vorgestellt, so gut das eben möglich gewesen wäre. Leslie war nämlich ganz entzückt von meinen Schilderungen, auch wenn meine Zeichenversuche eher weniger schmeichelhaft für den armen Wasserspeierdämon ausgefallen waren. (»Was sind denn das für Wäscheklammern?«, hatte Leslie wissen wollen und auf die Hörner gezeigt, die ich gemalt hatte.)
    »Endlich mal ein unsichtbarer Freund, der dir nützlich sein kann!«, hatte sie begeistert gesagt. »Überleg doch mal: Anders als James, der doch nur sinnfrei in seiner Nische herumsteht und über deine schlechten Manieren meckert, kann dieser Wasserspeier für dich spionieren und nachsehen, was sich hinter verschlossenen Türen abspielt.«
    Den Gedanken hatte ich noch gar nicht gehabt. Aber tatsächlich - heute Morgen bei dieser Geschichte mit dem Re-ti... Revi... mit dem veralteten Begriff für Handtasche hatte sich Xemerius wirklich sehr nützlich gemacht.
    »Xemerius könnte dein Trumpf im Ärmel sein«, hatte Leslie gemeint. »Nicht nur ein beleidigter Nichtsnutz wie James.«
    Leider hatte sie recht, was James betraf. James war - ja, was war er eigentlich? Hätte er mit Ketten rasseln oder Kronleuchter zum Beben bringen können, hätte man ihn wohl offiziell als unser Schulgespenst bezeichnen können. James August Peregrin Pimplebottom war ein ungefähr zwanzig Jahre alter hübscher Junge mit weiß gepuderter Perücke und einem geblümten Gehrock und er war seit zweihundertneunundzwanzig Jahren tot. Die Schule war einst sein Elternhaus gewesen und wie die meisten Geister wollte er nicht wahrhaben, dass er gestorben war. Für ihn waren die Jahrhunderte seines Geisterlebens wie ein einziger seltsamer Traum, aus dem er immer noch zu erwachen hoffte. Leslie vermutete, er habe den entscheidenden Part mit dem Tunnel, an dessen Ende ein gleißendes Licht lockte, wohl einfach verpennt.
    »James ist ja auch nicht ganz nutzlos«, hatte ich widersprochen. Schließlich hatte ich erst am Tag zuvor beschlossen, dass James mir - als Kind des 18. Jahrhunderts - sehr wohl behilflich sein konnte, zum Beispiel als Fechtlehrer. Ich hatte mich für ein paar Stunden an der grandiosen Vorstellung gefreut, dank James auch so geschickt mit dem Degen umgehen zu können wie Gideon. Leider hatte sich das als riesengroßer Irrtum herausgestellt.
    Bei unserer ersten (und wie es aussah auch letzten) Fechtstunde vorhin in der Mittagspause im leeren Klassenraum hatte Leslie vor Lachen auf dem Boden gelegen. Natürlich hatte sie James und seine in meinen Augen wirklich sehr professionell wirkenden Bewegungen nicht sehen und seine Kommandos - »Nur parieren, Miss Gwendolyn, nur parieren! Terz! Prime! Terz! Quinte!« - nicht hören können. Sie hatte nur mich gesehen, wie ich mit Mrs Counters Zeigestock verzweifelt in der Luft herumfuchtelte - gegen einen unsichtbaren Degen, der sich wie Luft durchschneiden ließ. Nutzlos. Und lächerlich.
    Als Leslie genug gelacht hatte, meinte sie, James solle mir lieber etwas anderes beibringen, und James war ausnahmsweise ihrer Meinung gewesen. Degengefechte und überhaupt Kämpfe aller Art seien Männersache, sagte er, das Gefährlichste, das Mädchen seiner Ansicht nach in die Hand nehmen dürften, seien Sticknadeln.
    »Ohne Zweifel wäre die Welt ein besserer Ort, wenn auch Männer sich an diese Regel hielten«, hatte Leslie gesagt. »Aber solange sie das nicht tun, sollten Frauen vorbereitet sein.« Und James war beinahe in Ohnmacht gefallen,

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