Sara Linton 01 - Tote Augen
ruhig jetzt. Beruhigen Sie sich erst mal.« Sie legte Will die Hände ans Gesicht, etwas, das sie noch nie getan hatte, wie Will jetzt bewusst wurde. Ihre Handflächen waren auf seinen Wangen und zwangen ihn, sie anzuschauen anstatt Simkov, der sich auf dem Boden wand. » Schauen Sie mich an«, befahl sie so leise, dass es war, als könnten nur sie beide verstehen, was sie sagte. » Will, schauen Sie mich an.«
Er zwang sich, ihren Blick zu erwidern. Ihre Augen waren intensiv blau, vor Panik weit aufgerissen. » Alles okay«, sagte sie ihm. » Das Baby kommt wieder in Ordnung. Okay? Geht’s wieder?«
Will nickte und spürte, wie die Uniformierten den Griff um seine Arme lockerten. Faith stand noch immer vor ihm, hatte noch immer die Hände auf seinem Gesicht.
» Alles okay«, sagte sie im selben Tonfall, den sie bei dem Baby benutzt hatte. » Das wird alles wieder.«
Will trat einen Schritt zurück, sodass Faith ihn loslassen musste. Er sah, dass sie fast so eingeschüchtert war wie der Portier. Auch Will hatte Angst – Angst, dass er den Mann noch immer schlagen wollte, dass er, wenn die Uniformierten nicht da gewesen wären, wenn es nur er und Simkov gewesen wären, ihn mit bloßen Händen zu Tode geprügelt hätte.
Faith schaute Will noch einen Augenblick länger in die Augen. Dann wandte sie ihre Aufmerksamkeit dem blutenden Mann auf dem Boden zu. » Aufstehen, Sie Arschloch.«
Simkov stöhnte und rollte sich zu einem Ball zusammen. » Ich kann mich nicht rühren.«
» Schnauze.« Sie riss Simkov am Arm.
» Meine Nase!«, kreischte er. Er war so benommen, dass er nur einigermaßen aufrecht sitzen konnte, wenn er sich mit der Schulter an der Wand abstützte. » Er hat mir die Nase gebrochen!«
» Sie sind okay.« Faith schaute den Gang in beide Richtungen entlang. Sie suchte nach Überwachungskameras.
Will tat dasselbe und war erleichtert, als er keine fand.
» Polizeibrutalität!«, schrie der Mann. » Sie haben es gesehen. Sie sind alle meine Zeugen.« Einer der Uniformierten hinter Will sagte: » Sie sind gestürzt, Kumpel. Wissen Sie das nicht mehr?«
» Bin nicht gestürzt«, sagte der Mann stur. Blut lief ihm aus der Nase und tropfte durch seine Finger wie Wasser aus einem Schwamm.
Der zweite Sanitäter legte eben dem Baby eine Infusion. Er schaute nicht hoch, sagte aber: » Sie sollten das nächste Mal besser aufpassen, wo Sie hintreten.«
Und einfach so war Will zu dem Polizisten geworden, der er nie hatte sein wollen.
17 . Kapitel
F aiths Hände zitterten noch immer, als sie vor Anna Lindseys Zimmer auf der Intensivstation stand. Die beiden Polizisten, die Annas Tür bewacht hatten, unterhielten sich mit den Schwestern an der Empfangstheke, aber sie schauten immer wieder herüber, als wüssten sie, was vor dem Penthouse passiert war, wüssten aber nicht so recht, was sie davon halten sollten. Will selbst stand ihr gegenüber, die Hände in den Taschen, und starrte blicklos den Gang entlang. Sie fragte sich, ob er unter Schock stand. O Mann, sie fragte sich, ob sie unter Schock stand.
Sowohl in ihrem beruflichen wie in ihrem privaten Leben war Faith oft von zornigen Männern umgeben gewesen, aber so etwas wie die Brutalität, die Will gezeigt hatte, hatte sie noch nie erlebt. In diesem Gang vor dem Penthouse im Beeston Place hatte es einen Augenblick gegeben, da Faith befürchtet hatte, Will würde den Portier umbringen. Sein Gesichtsausdruck war es, der sie so schockiert hatte – kalt, erbarmungslos –, von nichts anderem getrieben, als diesem Mann wieder und wieder die Faust ins Gesicht zu rammen. Wie jede andere Mutter auf der Welt hatte auch ihre Mutter Faith immer wieder gesagt, sie müsse vorsichtig sein bei dem, was sie sich wünsche. Faith hatte sich immer gewünscht, Will wäre ein bisschen aggressiver. Jetzt hätte sie alles gegeben, um ihn wieder so zu haben, wie er zuvor gewesen war.
» Sie sagen keinen Ton«, sagte Faith zu ihm. » Die Polizisten, die Sanitäter.«
» Das ist unwichtig.«
» Sie haben dieses Baby gefunden«, erinnerte sie ihn. » Wer weiß, wie lange es gedauert hätte, bis irgendjemand …«
» Stopp.«
Mit lautem Pling öffneten sich die Aufzugstüren. Amanda trabte heraus. Sie schaute sich schnell um, registrierte, wer anwesend war, versuchte wahrscheinlich, Zeugen zu neutralisieren. Faith machte sich gefasst auf niederschmetternde Vorwürfe, blitzschnelle Suspendierungen, vielleicht sogar den Verlust ihrer Marken. Stattdessen fragte Amanda sie: »
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