Sara Linton 01 - Tote Augen
Müll?«
» Das ist ein bisschen hart, aber wir alle treffen unsere Entscheidungen.«
Wieder spürte Will Schweiß den Rücken hinunterrinnen. » Haben Sie Ostern schon immer geliebt?«
Sie rückte einem der Häschen die Fliege gerade. » Ich vermute, das kommt zum Teil daher, dass Henry wegen seiner Arbeit nur an Ostern und Weihnachten nach Hause kommen konnte. Für uns war das immer eine sehr besondere Zeit. Lieben Sie es nicht auch, mit Ihrer Familie zusammen zu sein?«
Er fragte: » Ist Henry zu Hause?«
» Im Augenblick nicht.« Sie drehte die Uhr auf ihrem Handgelenk. » Er kommt immer zu spät. Er vergisst so leicht die Zeit. Wir sollten eigentlich ins Gemeinschaftszentrum gehen, nachdem Tom die Kinder abgeholt hat.«
» Arbeitet Henry auch im Heim?«
» O nein.« Mit einem leisen Auflachen ging sie in die Küche. » Henry ist viel zu sehr damit beschäftigt, seinen Ruhestand zu genießen. Tom hilft uns allerdings sehr viel. Er beschwert sich zwar, aber er ist ein guter Junge.«
Will erinnerte sich, dass Tom versucht hatte, einen Rasenmäher zu reparieren, als sie ihn im Wohltätigkeitsladen entdeckt hatten. » Arbeitet er vorwiegend im Laden?«
» O Gott nein, er hasst die Arbeit im Laden.«
» Was macht er dann?«
Sie nahm einen Schwamm zur Hand und wischte die Arbeitsfläche ab. » Ein bisschen was von allem.«
» Zum Beispiel?«
Sie hörte auf zu wischen. » Wenn eine Frau rechtlichen Beistand braucht, kümmert er sich um einen Anwalt, wenn ein Kind was verschüttet, nimmt er einen Lappen zur Hand.« Sie lächelte stolz. » Wie gesagt, er ist ein guter Junge.«
» Klingt so«, pflichtete Will ihr bei. » Was tut er sonst noch?«
» Ach, dies und das.« Sie hielt inne und überlegte. » Er koordiniert die Spenden. Er ist sehr gut am Telefon. Wenn es für ihn klingt, als würde er mit jemandem sprechen, der vielleicht ein bisschen mehr geben will, fährt er mit dem Laster hin und holt die Sachen ab, und neun von zehn Mal bringt er dann zusätzlich auch noch einen Scheck mit. Ich glaube, er ist gern unterwegs und redet gern mit den Leuten. Auf dem Flughafen machte er ja den ganzen Tag nichts anderes, als irgendwelche Lichtsignale auf einem Monitor anzustarren. Wollen Sie vielleicht Eiswasser? Oder Limonade?«
» Nein, vielen Dank«, antwortete er. » Was ist mit Jacquelyn Zabel? Haben Sie diesen Namen schon einmal gehört?«
» Da klingelt bei mir was, aber ich weiß nicht genau, warum.«
» Was ist mit Pauline McGhee? Oder vielleicht Pauline Seward?«
Sie lächelte und hielt sich dabei die Hand vor den Mund. » Nein.«
Will zwang sich, die Sache langsamer anzugehen. Das erste Gebot jeder Befragung war es, selbst die Ruhe zu bewahren, denn wenn man angespannt war, konnte man nur schwer erkennen, ob es der Befragte auch war oder nicht. Judith war still geworden, als er die letzte Frage gestellt hatte, deshalb wiederholte er sie. » Pauline McGhee oder Pauline Seward?«
Sie schüttelte den Kopf. » Nein.«
» Wie oft holt Tom Spenden ab?«
Judiths Stimme klang plötzlich bemüht fröhlich. » Wissen Sie, so genau weiß ich das auch nicht. Ich habe meinen Kalender irgendwo da drinnen. Normalerweise streiche ich mir die Tage an.« Sie öffnete eine der Küchenschubladen und stöberte darin herum. Sie war sichtlich nervös, und er wusste, sie hatte die Schublade nur geöffnet, um ihm nicht in die Augen sehen zu müssen. Sie plapperte weiter: » Der gute Tom hat wirklich viel Zeit für uns übrig. Er engagiert sich auch sehr in der Jugendgruppe unserer Kirche. Die ganze Familie arbeitet ein Mal im Monat ehrenamtlich in der Suppenküche.«
Will ließ nicht zu, dass sie vom Thema abwich. » Fährt er allein, wenn er Spenden abholt?«
» Außer es geht um eine Couch oder sonst was Großes.« Sie schloss die Schublade und zog eine andere auf. » Ich habe keine Ahnung, wo mein Kalender ist. Die ganzen Jahre wollte ich, dass mein Mann bei mir zu Hause ist, und jetzt macht er mich verrückt, weil er dauernd Sachen verlegt.«
Will schaute zum Fenster hinaus und fragte sich, wo Faith blieb. » Die Kinder sind hier?«
Sie öffnete noch eine Schublade. » Halten ein Nickerchen im hinteren Zimmer.«
» Tom sagte, er wolle sich hier mit mir treffen. Warum hat er uns nicht gesagt, dass er am Unfallort war, als Sie mit Ihrem Auto Anna Lindsey anfuhren?«
» Was?« Sie wirkte kurzfristig verwirrt, antwortete aber dann: » Na ja, ich habe Tom angerufen, damit er zu Henry kommt. Ich dachte, er hat einen
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