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Sara Linton 01 - Tote Augen

Sara Linton 01 - Tote Augen

Titel: Sara Linton 01 - Tote Augen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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gesehen. Na ja, nicht wirklich gesehen – das Kind war im Augenblick kaum mehr als ein Fleck, aber sie hatte seinen Herzschlag gehört, hatte das sanfte Auf und Ab des Klümpchens in ihrem Körper gesehen, und obwohl Delia Wallace ihr immer wieder gesagt hatte, dass es dafür eigentlich zu früh sei, hätte Faith schwören können, sie habe eine winzige, kleine Hand gesehen.
    Faith wählte noch einmal Wills Handynummer. Sie fragte sich, ob sein Telefon nun endgültig den Geist aufgegeben hatte. Sie verstand einfach nicht, warum er sich kein neues besorgte. Vielleicht hatte er zu dem Ding irgendeine emotionale Bindung.
    Wie auch immer, er hielt sie auf. Sie öffnete die Fahrertür und stieg aus. Tom Coldfield wohnte nur zehn Minuten von der Stelle entfernt, wo seine Eltern diesen verhängnisvollen Unfall gehabt hatten. Sein Haus stand fast am Ende der Welt, der nächste Nachbar war zu Fuß kaum zu erreichen. Es war ein gesichtsloser Kasten wie die meisten modernen Vorstadthäuser. Faith war ihr eigenes Ranch-Haus lieber, trotz durchhängender Bodendielen und dem grässlichen Holzimitat der Wandtäfelung im Wohnzimmer.
    Jedes Jahr, wenn sie ihre Steuerrückzahlung bekam, sagte sie sich, sie müsse mit dieser Täfelung etwas machen, und jedes Jahr schaffte es Jeremy wie durch ein Wunder, genau dann etwas zu brauchen, wenn der Scheck eintraf. Einmal hatte sie sogar geglaubt, sie würde ungeschoren davonkommen, aber der kleine Halunke brach sich den Arm, als er seinen Freunden zu beweisen versuchte, dass er mit seinem Skateboard vom Dach ihres Hauses auf eine Matratze springen konnte, die sie im Wald gefunden hatten.
    Sie legte sich die Hand auf den Bauch. Die Täfelung würde so bleiben, bis sie starb.
    Faith suchte in ihrer Handtasche nach ihrer Marke, während sie zur Haustür ging. Sie trug Schuhe mit Absätzen und eines ihrer hübschesten Kleider, weil es ihr an diesem Morgen aus irgendeinem Grund wichtig gewesen war, vor Delia Wallace respektabel zu erscheinen – ein lächerliches Getue, weil Faith die ganze Zeit in einem dünnen Papierkittel vor ihr gesessen hatte.
    Sie drehte sich um und schaute die leere Straße entlang. Noch immer keine Spur von ihrem Partner. Sie verstand nicht, wo er so lange blieb. Am Telefon hatte Tom zu Faith gesagt, er habe Will bereits den Weg zu seinem Haus beschrieben. Trotz seiner Schwierigkeiten mit rechts/links fand Will sich für gewöhnlich in einer fremden Umgebung sehr gut zurecht. Er sollte inzwischen hier sein. Wie auch immer, zumindest ans Telefon sollte er gehen. Vielleicht hatte Angie wieder angerufen. So wütend, wie Faith im Augenblick auf Will war, hoffte sie, seine Frau wäre so charmant wie immer.
    Faith klingelte und wartete zu lange, bis jemand an die Tür kam, wenn man sich überlegte, dass sie bereits seit fast einer Viertelstunde in der Einfahrt stand.
    » Hi.« Die Frau, die zur Tür kam, war dünn und knochig, aber alles andere als hübsch. Sie schenkte Faith ein gezwungenes, verlegenes Lächeln. Die blondierten Haare fielen ihr schlaff in die Stirn, die Ansätze dunkelten bereits nach. Sie sah so vernachlässigt aus, wie man es tut, wenn man kleine Kinder hat.
    » Ich bin Special Agent Faith Mitchell«, sagte Faith und hielt ihre Marke in die Höhe.
    » Darla Coldfield.« Ihre Stimme hatte das gehauchte Flüstern, das Zartheit und Zerbrechlichkeit andeuten sollte. Sie zupfte am Kragen der dunkelroten Bluse, die sie trug. Faith sah, dass die Kante abgenutzt war und vom vielen Zerren am Saum Fäden abstanden.
    » Tom meinte, er werde hier auf mich warten.«
    » Er sollte jeden Augenblick hier sein.« Die Frau schien zu bemerken, dass sie die Tür blockierte. Sie trat beiseite. » Wollen Sie nicht hereinkommen?«
    Faith trat in die Diele, die mit schwarzen und weißen Fliesen ausgelegt war. Sie sah, dass der Fliesenboden bis zum hinteren Teil des Hauses reichte, in Küche und Wohnzimmer. Auch das Esszimmer und das Arbeitszimmer links und rechts der Haustür waren gefliest.
    Dennoch sagte sie beiläufig, dass die Frau ein sehr schönes Zuhause habe, obwohl ihr die eigenen Schritte in den Ohren hallten, als sie zum Wohnzimmer ging. Das Mobiliar verriet den Geschmack eines Mannes. Es gab eine braune Ledercouch und einen dazu passenden Lehnsessel. Der Teppich auf dem Fliesenboden war schwarz, keine Faser und kein Staubkörnchen waren darauf zu sehen. Es gab kein Spielzeug, was merkwürdig war, da die Coldfields doch zwei Kinder hatten. Vielleicht durften sie nicht in

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