Sara Linton 01 - Tote Augen
Tür hinausrannte.
Dass sie nach einer Weile immer wieder zurückkam, war ein Muster, das Will wegen seiner Einfachheit zu schätzen gelernt hatte.
Zu Faith sagte er: » Sie verlässt mich sehr oft, Faith. Das war keine Überraschung.«
Sie erwiderte nichts, und er konnte nicht sagen, ob sie wütend war oder nur zu schockiert, um zu sprechen.
Er sagte: » Ich will noch oben nach Anna schauen, bevor wir wieder fahren.«
Sie nickte.
Er sagte: » Amanda hat mich gestern gefragt, wie es Ihnen geht.«
Plötzlich schenkte Faith ihm ihre ganze Aufmerksamkeit. » Was haben Sie ihr gesagt?«
» Dass es Ihnen gut geht.«
» Gut, weil es nämlich auch so ist.«
Will schaute sie mit einem vielsagenden Blick an: » Ich bin nicht der Einzige, der Informationen zurückhält.«
» Mir geht es wirklich gut«, beharrte sie. » Ich komme schon wieder auf die Beine, okay. Also machen Sie sich um mich keine Sorgen.«
Will drückte die Schultern an die Wand. Faith sagte nichts mehr, und das leise Summen der Notaufnahme war wie statisches Rauschen in seinen Ohren. Nach wenigen Minuten musste er sich anstrengen, damit ihm nicht die Augen zufielen. Will war heute Morgen gegen sechs Uhr ins Bett gegangen und hatte gehofft, dass er wenigstens zwei Stunden würde schlafen können, bevor er Faith abholen musste. Während die Stunden vergingen, hatte er eine Morgenaktivität nach der anderen von seiner Liste gestrichen, zuerst das Gassigehen mit dem Hund, dann das Frühstück und schließlich sogar seinen gewohnten Kaffee. Die Stunden waren mit quälender Langsamkeit dahingeschlichen, was er alle zwanzig Minuten auf dem Wecker sah, wenn seine Augen sich öffneten, das Herz ihm bis zur Kehle schlug und er glaubte, noch immer in dieser Höhle gefangen zu sein.
Will spürte seinen Arm wieder jucken, aber er kratzte sich nicht, aus Angst, dass Faith es bemerkte. Sooft er an die Höhle dachte, diese Ratten, die seinen Arm als Leiter benutzt hatten, bekam er eine Gänsehaut. Bei den vielen Narben, die Will auf seinem Körper hatte, war es dumm, in Panik zu geraten wegen ein paar Kratzern, die abheilen würden, ohne Spuren zu hinterlassen, aber die Sache ging ihm nicht mehr aus dem Kopf, und je mehr er ihn sich zermarterte, desto heftiger juckte seine Haut.
Er fragte Faith: » War dieser Nierenmörder eigentlich schon in den Nachrichten?«
» Ich hoffe, die Sache ging bereits durch die Medien, wenn die wahre Geschichte ans Licht kommt, weil diese Idioten vom Rockdale County dann aussehen wie die ignoranten Arschlöcher, die sie sind.«
» Habe ich Ihnen erzählt, was Fierro zu Amanda gesagt hat?«
Sie schüttelte den Kopf, und er erzählte ihr von Fierros völlig unpassender Anschuldigung in Bezug auf das Hinterteil des Polizeichefs von Rockdale County.
Faiths Stimme war kaum mehr als ein schockiertes Flüstern. » Was hat sie mit ihm gemacht?«
» Er ist einfach verschwunden«, sagte Will und zog sein Handy heraus. » Ich weiß nicht, wohin er ging, aber ich habe ihn nicht wiedergesehen.« Er kontrollierte auf seinem Handy die Zeit. » Die Autopsie ist in einer Stunde. Wenn wir aus diesem Jungen nichts herausbringen, dann sollten wir in die Leichenhalle fahren und sehen, ob wir Pete dazu bringen können, früher anzufangen.«
» Wir haben um zwei einen Termin mit den Coldfields. Ich kann sie anrufen und sie fragen, ob wir uns schon gegen Mittag treffen könnten.«
Will wusste, dass Faith nicht gerne zu Autopsien ging. » Sollen wir uns trennen?«
Offensichtlich wusste sie dieses Angebot nicht zu schätzen. » Mal sehen, ob sie es früher schaffen. Unser Teil der Autopsie sollte ja ziemlich schnell gehen.«
Will hoffte es. Er hatte wenig Lust darauf, sich mehr als unbedingt nötig mit den morbiden Details der Folterungen zu beschäftigen, die Jacquelyn Zabel hatte erdulden müssen, bevor ihr die Flucht gelang, nur um dann zu stürzen und sich den Hals zu brechen. » Vielleicht haben wir ja danach schon mehr. Eine Verbindung.«
» Sie meinen, außer dass beide Frauen alleinstehend, attraktiv, erfolgreich und ziemlich unbeliebt waren bei fast jedem, der Kontakt mit ihnen hatte?«
» Viele erfolgreiche Frauen sind unbeliebt«, sagte Will und merkte in dem Augenblick, da er es sagte, dass er klang wie ein sexistisches Schwein. » Ich meine, viele Männer fühlen sich bedroht von …«
» Ich verstehe schon, Will. Die Leute mögen keine erfolgreichen Frauen.« Dann fügte sie traurig hinzu: » Manchmal sind andere Frauen schlimmer
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