Sara Linton 01 - Tote Augen
genießen den Tag.« Es war als Abschied gemeint, sie machte aber keine Anstalten zu gehen.
Auf dem Gang war es so leise geworden, fiel Will nun auf, dass man das Klappern hoher Absätze auf den Fliesen hinter ihm hören konnte. Amanda Wagner kam mit forschen Schritten auf sie zu. Sie sah ausgeruht aus, obwohl sie ebenso lange wie Will in dem Wald gewesen war. Ihre Frisur war der gewohnte unbewegliche Helm, und ihr Hosenanzug zeigte ein gedämpftes, dunkles Purpur.
Wie üblich kam sie sofort zur Sache. » Der blutige Fingerabdruck auf Jacquelyn Zabels Führerschein aus Florida stammt von unserem ersten Opfer. Nennen Sie sie immer noch Anna?« Sie gab ihnen keine Zeit zu antworten. » Hat diese Supermarkt-Entführung mit unserem Fall zu tun?«
Will antwortete: » Es könnte sein. Die Mutter wurde gegen fünf Uhr dreißig heute Morgen entführt. Der Junge, Felix, wurde schlafend im Auto seiner Mutter gefunden. Er hat uns eine vage Beschreibung des Täters gegeben, aber er ist erst sechs Jahre alt. Die Atlanta Police zeigt sich kooperativ. Soweit ich weiß, haben sie nicht um unsere Hilfe gebeten.«
» Wer ist der Ermittler?«
» Leo Donnelly.«
» Untauglich«, grummelte Amanda. » Im Augenblick lassen wir ihm den Fall noch, aber ich will ihn an einer sehr kurzen Leine. Atlanta kann die Laufarbeit machen und die Forensik bezahlen, aber wenn er Mist baut, zieht ihn ab.«
Faith sagte: » Das wird ihm nicht gefallen.«
» Sehe ich aus, als würde mich das kümmern?« Sie wartete nicht auf eine Antwort. » Unsere Freunde im Rockdale County zeigen offensichtlich ein gewisses Bedauern, dass sie uns den Fall abgeben müssen«, informierte sie sie. » Ich gebe in fünf Minuten eine Pressekonferenz vor der Tür und will, dass Sie und Faith mich flankieren und beruhigend aussehen, während ich der Öffentlichkeit erkläre, dass ihre Nieren sicher sind vor den Händen hinterhältiger Organhändler.« Nun streckte sie Sara die Hand hin. » Dr. Linton, ich glaube, es ist nicht zu weit hergeholt, wenn ich sage, dass wir uns diesmal unter besseren Umständen begegnen.«
Sara schüttelte ihre Hand. » Für mich zumindest.«
» Es war eine bewegende Zeremonie. Ein passender Tribut für einen großartigen Polizisten.«
» Oh …« Sara brach verwirrt ab. Tränen traten ihr in die Augen. » Ich wusste ja gar nicht, dass Sie auch …« Sie räusperte sich und nahm sich zusammen. » Der Tag liegt für mich noch immer wie im Nebel.«
Amanda schaute sie prüfend an, und ihre Stimme klang erstaunlich sanft, als sie fragte: » Wie lange ist das jetzt eigentlich her?«
» Dreieinhalb Jahre.«
» Ich habe gehört, was im Coastal passiert ist.« Amanda hielt noch immer Saras Hand, und Will sah, dass sie sie aufmunternd drückte. » Wir kümmern uns um unsere Leute.«
Sara wischte sich die Augen und schaute Faith an, als würde sie sich blöd vorkommen. » Um ehrlich zu sein, ich wollte Ihren Agenten eben meine Dienste anbieten.«
Will sah, dass Faith den Mund öffnete und schnell wieder schloss.
Amanda sagte: » Fahren Sie fort.«
» Ich habe an dem ersten Opfer gearbeitet – Anna. Ich hatte keine Gelegenheit, eine komplette Untersuchung durchzuführen, aber ich habe eine gewisse Zeit mit ihr verbracht. Pete Hanson ist einer der besten Medical Examiner, die ich kenne, aber wenn Sie wollen, dass ich an der Autopsie des zweiten Opfers teilnehme, kann ich Ihnen vielleicht etwas über die Unterschiede und Ähnlichkeiten zwischen den beiden sagen.«
Amanda brauchte nicht lange für die Entscheidung. » Ich nehme Ihr Angebot an«, sagte sie. » Faith, Will, Sie kommen mit mir. Dr. Linton, meine Agenten erwarten Sie in einer Stunde in der City Hall East.« Als niemand sich rührte, klatschte sie in die Hände. » Gehen wir.« Sie war schon halb den Gang hinunter, bevor Faith und Will sich aufraffen konnten, ihr zu folgen.
Will ging hinter Amanda und machte bewusst kurze Schritte, damit er sie nicht überholte. Für eine so kleine Frau ging sie sehr schnell, aber mit seiner Größe kam er sich immer vor wie der Grüne Riese, wenn er versuchte, einen respektvollen Abstand zu halten. Während er nun auf ihren Kopf hinunterschaute, fragte er sich, ob der Mörder für eine Frau wie Amanda arbeitete. Will verstand sehr gut, warum ein anderer Mann regelrecht Hass empfinden konnte anstelle der Mischung aus Wut und dem brennenden Verlangen, ihr zu gefallen, die Will der älteren Frau gegenüber empfand.
Faith legte ihm die Hand auf den Arm
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