Sara Linton 01 - Tote Augen
Morgan, wie man mit ihrer Familie Kontakt aufnehmen kann?«
» Er weiß nicht mal, aus welchem Staat sie kommt. Sie hat nicht viel über ihre Vergangenheit geredet. Ich habe Leo eine Nachricht aufs Handy gesprochen. Ich bin mir ziemlich sicher, er spürt den Bruder noch bis zum Abend auf. Wahrscheinlich lässt er bereits alle Fingerabdrücke aus dem SUV durch den Computer laufen.«
» Vielleicht hat sie einen anderen Namen angenommen? Man läuft nicht ohne Grund mit siebzehn Jahren von zu Hause weg. Pauline ist finanziell offensichtlich ziemlich erfolgreich. Vielleicht musste sie ihren Namen ändern, damit das passierte.«
» Offensichtlich hatte Jackie Kontakt zu ihrer Familie und ihren Namen nicht geändert. Ihre Schwester heißt auch Zabel.« Faith lachte kurz und fügte dann hinzu: » Die Namen sind sich alle ähnlich – Gwendolyn, Jacquelyn, Joelyn. Irgendwie komisch, finden Sie nicht auch?«
Will zuckte die Achseln. Er hatte Reime noch nie erkennen können, ein Problem, das, wie er vermutete, mit seiner Leseschwäche zu tun hatte. Zum Glück war das nicht etwas, das oft auftauchte.
Faith fuhr fort: » Ich weiß nicht, was es ist, aber wenn man ein Baby hat, hält man plötzlich die blödesten Namen für schön.« Sie klang nachdenklich. » Ich hätte Jeremy beinahe Fernando Romantico nach einem der Jungs von Menudo genannt. Gott sei Dank hat meine Mutter da ein Machtwort gesprochen.«
Die Tür ging auf. Sara Linton kam zu ihnen auf den Gang und sah genauso aus wie jemand, der das Gefühl hat, eben ein Kind dem Sozialdienst ausgeliefert zu haben. Will war keiner, der auf das System schimpfte, Tatsache war aber, wie nett Sozialarbeiter auch sein und wie sehr sie sich anstrengen mochten, es gab einfach zu wenige von ihnen, und sie erhielten bei Weitem nicht die Unterstützung, die sie brauchten. Wenn man dazu noch in Betracht zog, dass Pflegefamilien entweder das Salz der Erde oder geldgierige, kinderhassende Sadisten waren, dann verstand man sehr schnell, wie seelentötend das ganze Verfahren sein konnte. Leider war es Felix McGhees Seele, die den höchsten Preis würde zahlen müssen.
Sara sagte zu Will: » Sie waren gut da drin.«
Er verkniff es sich, zu grinsen wie ein Kind, dem man eben über den Kopf gestrichen hatte.
Faith fragte: » Hat Felix sonst noch etwas gesagt?«
Sara schüttelte den Kopf. » Wie geht es Ihnen?«
» Viel besser«, antwortete Faith, allerdings ein wenig abwehrend.
Sara sagte: » Ich habe von dem zweiten Opfer gehört, das Sie gestern Nacht gefunden haben.«
» Will hat die Frau gefunden.« Faith hielt kurz inne, wie um die Information wirken zu lassen. » Das ist zwar nicht für die Öffentlichkeit bestimmt, aber sie brach sich das Genick, als sie von einem Baum fiel.«
Sara runzelte die Stirn. » Was wollte sie auf einem Baum?«
Nun übernahm Will. » Sie wartete darauf, dass wir sie finden. Allem Anschein nach waren wir nicht schnell genug.«
» Sie können nicht genau sagen, wie lange sie auf dem Baum war«, erklärte Sara. » Die Feststellung des Todeszeitpunkts ist keine exakte Wissenschaft.«
» Ihr Blut war noch warm«, erwiderte er und spürte wieder die warme Flüssigkeit, die ihm in den Nacken getropft war.
» Es gibt andere Gründe, warum das Blut noch warm sein kann. Wenn sie auf einem Baum war, hat vielleicht das Laub sie vor der Kälte geschützt. Ihr Entführer könnte ihr auch Medikamente verabreicht haben. Einige Pharmazeutika können die Kerntemperatur des Körpers erhöhen und sie auch nach dem Tod noch hoch halten.«
Er entgegnete: » Das Blut hatte keine Zeit zu gerinnen.«
» Etwas so Simples wie ein paar Aspirin könnten die Gerinnung verhindert haben.«
Faith fügte hinzu: » Jackie hatte eine große Dose Aspirin neben ihrem Bett. Sie war halb leer.«
Will war noch nicht überzeugt, aber Sara wandte sich bereits einem anderen Thema zu. » Ist Pete Hanson noch immer der Coroner für diese Region?«
» Sie kennen Pete?«
» Er ist ein guter Leichenbeschauer. Ich habe nach meiner ersten Wahl ein paar Kurse bei ihm gemacht.«
Will hatte vergessen, dass in Kleinstädten der Posten des Medical Examiner ein Wahlamt war. Er konnte sich Saras Gesicht auf einem Wahlplakat nicht vorstellen.
Faith sagte: » Wir wollten übrigens jetzt für die Autopsie des zweiten Opfers zu ihm fahren.«
Sara schien unsicher zu werden. » Heute habe ich meinen freien Tag.«
» Nun denn«, sagte Faith und machte dann eine sprechende Pause. » Ich hoffe, Sie
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