Sarania - Das Vermächtnis der Magier (German Edition)
verwundert.
„Ja, ich bin mir sicher, so wie die Leute hier herumstolzieren. Wieso fragst du, ist am sechsten Juni sonst noch etwas Erwähnenswertes geschehen?“
„Nein, nichts weiter“, sagte Benalir und winkte ab. In Wirklichkeit jedoch wusste er genau, weshalb ihn die Nachricht vom heutigen Datum dermaßen berührt hatte. Falls besagtes wahrhaftig stimmte, dann war gestern der fünfte Juni gewesen – sein Geburtstag. Ohne davon erfahren zu haben, war er sechzehn Jahre alt geworden, und das zum Überfluss in einer Kneipe, in der sich vermutlich all die Trunkenbolde der Stadt die Klinke in die Hand gaben. Den Saran´schen Verhältnissen nach galt er damit als ´jährig` und war somit berechtigt, endgültig Verantwortung für sich selbst zu übernehmen. Was das Leben doch für Zufälle bereithielt! Bei genauerem Nachdenken wurde ihm bewusst, dass dies auch der erste Geburtstag gewesen war, den er nicht zusammen mit Galdor verbracht hatte. In den vergangenen Jahren hatte sein Vater immer ein wenig Geld zur Seite gelegt, um Benalir an dessen Ehrentag ein schönes Geschenk zu bereiten. Sie hatten dann den ganzen Tag über zusammen gesessen, die Arbeit für eine Weile ruhen lassen, und sich lachend darüber ausgelassen, wie schnell die Zeit verging.
Und nun waren sie nicht beisammen gewesen. Eine plötzliche Wehmut überfiel Benalir. Er dachte an die Schmiede und seinen Vater. Der Geruch von eingeschmolzenem Eisen und das Handwerk fehlten ihm. Er fragte sich, ob Galdor wohl just in diesem Moment ein einsames Mahl zu sich nahm. Bei dem Gedanken fröstelte es Benalir, und in diesem Augenblick wünschte er sich nichts sehnlicher, als wieder daheim zu sein, und sich keinerlei Sorgen mehr um irgendeinen dunklen Magier und dessen Pläne machen zu müssen.
Danfalius´ Stimme holte ihn unsanft in die Gegenwart zurück. „Nun, meine Freunde, da wären wir! Seht und bestaunt das Wahrzeichen unserer Stadt!“
Benalir schaute auf, und glaubte zunächst, eine Kirche vor sich zu sehen, denn die Architektur des Gebäudes erinnerte stark an eine solche, was insbesondere die Fenster aus buntem Glas bezeugten, die wie Tropfen im Morgengrauen schimmerten.
Giano stieß einen Pfiff aus. „Ziemlich beeindruckend!“
Das Eingangsportal war aus massivem Buchenholz gefertigt und knarrte laut, als Danfalius es aufschob. „Ich glaube, wir haben Glück. Es scheint sogut wie niemand anwesend zu sein.“
Sie folgten ihm und Benalir registrierte auf Anhieb, dass Danfalius recht hatte. Außer ihnen hielten sich anscheinend nur drei weitere Personen in der Bibliothek auf: Ein älterer Mann, ein missmutig dreinschauender Zwerg, und ein Mann, der allem Anschein nach der Institutionsleiter war. Er hatte einen strengen Blick aufgesetzt und betrachtete die Neuankömmlinge forschend. Ihm schien es zu missfallen, dass sie soviel Gepäck dabeihatten, er rümpfte jedoch nur die Nase und schwieg. „Das ist Tunil, der Bibliotheksleiter“, flüsterte Danfalius und bestätigte damit Benalirs Vermutung. „Ein seltsamer Kauz, wenn ihr mich fragt. Lebt hier wie ein Eremit und spricht nie ein Wort. Am besten beachtet ihr ihn gar nicht.“ Abgesehen davon, dass er freiwillig sowieso keine Unterhaltung mit Tunil gesucht hätte, schien Benalir dieser Rat mehr als sinnvoll.
„Nun, Danfalius, bevor wir uns in aller Ruhe umsehen, würden wir gerne einen Blick auf deine Geschichtschroniken werfen“, sagte Alana mit einer Unschuldsmiene, ang esichts derer Benalir fast aufgelacht hätte. Die Elfe lächelte ihm und Giano zu. Danfalius verschwand zwischen den hohen Bücherregalen, um seine eigens verfassten Werke ausfindig zu machen.
In Windeseile kehrte er zurück ; in seinen Armen hielt er vier dicke, in Leder gebundene Bücher, die neben dem Titel auch seinen Namen aufwiesen. Er breitete sie auf einem der Tische aus. „Das sind die bisherigen Ergebnisse meiner literarischen Laufbahn“, sagte er augenzwinkernd, und machte es sich auf einem Schemel bequem. „Ich weiß zwar nicht, inwieweit ihr euch für die Geschichte Saranias interessiert, aber ein Blick hinein lohnt sich in jedem Fall.“
Und wie wir uns dafür interessieren, Danfalius, das kannst du dir gar nicht vorstellen, dachte Benalir. Er besah sich die Titulierungen der jeweiligen Chroniken genauer: ´Die Historie Saranias`, ´Kriege und ihre politischen Folgen`, ´Bedeutende Persönlichkeiten` und ´Die Völker Saranias`.
Die Völker Saranias, das klingt vielversprechend. Darin könnten wir
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