Sarg-Legenden

gesagt, du kannst…«
    »Nein, verdammt, das mache ich auch nicht. Mitgegangen, mitgehangen.«
    »Du gehst also mit?«
    »Ja, Bill Conolly, ich gehe mit. Auch wenn ich mein Testament noch nicht geschrieben habe.«
    »Ich auch nicht.«
    »Bei dir erbt sowieso die Familie. Deine Frau würde sich wundern, wenn sie dich so reden hören könnte.«
    Bill verkniff sich eine Antwort.
    Er sagte Harry auch nichts von einem gewissen Jorge und von Buck, der sich auf den Weg nach London gemacht hatte.
    »Gehen wir?«
    »Ja, Harry.«
    Es kam nicht dazu, denn eine andere Macht hatte die Kontrolle übernommen…
    ***
    Plötzlich wurden beide zu Salzsäulen. Niemand wagte mehr, sich zu bewegen, denn unter ihren Füßen hatten sie die Bewegung gespürt. Der Boden zitterte, als wäre eine gewaltige Kraft dabei, ihn von innen hervor aufzuwühlen. Eine Hölle, die es in der tiefsten Unterwelt nicht mehr aushielt und sich ihren Weg in die Höhe bahnte, weil sie sich dort mit dem Bösen verbinden wollte.
    »Verflucht, was ist das?« flüsterte Doyle. Er sah plötzlich käsig aus.
    Bill deutet auf den Boden. »Da tut sich was.«
    »Merke ich selbst. Laß uns abhauen.«
    »Nein, warte.«
    Harry packte Bill und schüttelte ihn durch. »Ich will hier keine Zombies erleben, hörst du mich? Ich will diesen Mist nicht mitmachen und mich killen lassen. Wir können das Ganze auch von außerhalb des Friedhofs beobachten.«
    Bill schlug die Hände des Mannes zur Seite. Einen Kommentar gab er nicht ab. Er drehte sich von Doyle weg und ging einen Schritt nach vorn, weil er das Zentrum dieses ungewöhnlichen Bebens suchte, das sich nicht in ihrer Nähe befand, sondern an einer Stelle, an der vier schiefe Grabsteine dicht zusammen standen.
    Es war mittlerweile dunkel geworden. Und das kalt-fettige Licht des Mondes reichte auch nicht aus, um alle Winkel des Friedhofs auszuleuchten. Deshalb holte Bill seine kleine Lampe hervor. Der Lichtkegel wanderte über den Boden hinweg und erfaßte die vier beisammen stehenden Grabsteine, die sich tatsächlich bewegten, weil der Boden unter weiteren Erschütterungen litt, deren Ursprung in der Tiefe verborgen lag.
    Bill und Harry konnten zuschauen, wie er sich regelrecht auffaltete. Es entstanden Wellenbewegungen in der Erde. Von unten mußte etwas in die Höhe geschoben werden, aber es war noch nicht zu sehen, was sich da verbarg.
    Harry Doyle war nicht bei Bill geblieben. Er war rasch auf den Rand des Friedhofs zugelaufen, stand aber noch auf dem Gelände, so daß seine Füße beinahe das heruntergedrückte Gitter berührten. Von dort schaute er zu.
    Bill tat auch noch nichts. Er wartete ab. Der kalte Mondschein erreichte auch ihn. Die Luft war so klar geworden, und wenige Meter vor ihm bewegte sich der Untergrund noch immer.
    Kleine Krumen und auch dicke Erdklumpen wurden nach oben geschoben. Sie rollten dort weiter, doch sie bekamen immer mehr Nachschub, denn die Kraft innerhalb des Bodens war gewaltig.
    Bill bewegte sich nicht. Er hatte auch die kleine Leuchte wieder weggesteckt. Das Flüstern des Fotografen ging ihm ebenfalls an den Ohren vorbei. Für ihn war nur wichtig, was sich da aus dem Boden löste. Er rechnete mit allen möglichen Dingen. Es konnte durchaus sein, daß sich plötzlich der Körper eines Toten in die Höhe schob, der ein unheimliches Leben erhalten hatte.
    Eine bleiche Gestalt, von Fleisch und Haut befreite Hände. Würmer, die in mit Lehm gefüllten Augenbrauen umherkrochen, das alles schoß ihm durch den Kopf, und alles, was er sich auch vorstellte, stimmte nicht.
    Es war keine Gestalt, die aus der Tiefe kam. Kein Zombie, kein Skelett, auch kein Vampir, sondern etwas anderes, mit dem der Reporter nicht gerechnet hatte.
    Aus der braunen lehmigen Erde wurde ein hellerer, kastenförmiger Holzgegenstand in die Höhe geschoben.
    Bills Augen weiteten sich, weil er das kaum glauben konnte. Was er da sah, war tatsächlich ein Sarg. Nicht dunkel, braun oder schwarz, sondern einer aus hellem Holz.
    Von der feuchten Erde bedeckt. Dort, wo sie nicht lag, schimmerte das Holz so bleich wie altes Gebein.
    Doyle konnte sich nicht mehr beherrschen. Er begann zu lachen, aber sicherlich nicht aus Freude.
    »He, halt dein Maul!«
    »Ein Sarg, Bill!«
    »Das sehe ich auch!«
    Der Reporter verstand den Sinn nicht. Es war auch nicht zu erkennen, ob die etwas schief zusammengenagelte Totenkiste leer oder belegt war. Der Sarg schaukelte nur hin und her. Fast wie ein Stück Holz auf dem Wasser.
    Bill unternahm