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Sarg niemals nie

Sarg niemals nie

Titel: Sarg niemals nie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dan Wells
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Gustav.
    »Soll ich es tun?« Mary brannte geradezu darauf.
    »Wie soll das vonstattengehen?«, entgegnete ich. »Der Pflock stellt ihn natürlich ruhig, aber wie lang ist das Ding? Einen halben Meter? Wäre das nicht etwas zu offensichtlich?«
    »Wir können es ja absägen«, schlug Mary vor. »Wie lang muss es denn sein, um einen Vampir zu töten?«
    »Um ihn zu veruntöten«, berichtigte John.
    »Die Länge spielt vermutlich keine Rolle«, mutmaßte ich. »Für den Teil, der eindringt, gibt es sicher irgendeine Regel, aber der Teil, der hervorsteht, dürfte nicht von Bedeutung sein.«
    »Dann sägen wir das Holzstück in der Mitte durch«, schlug Mary fröhlich vor. »Knapp über dem Hemd.«
    »Ausgezeichnet«, erwiderte ich. »Und das Hemd, da Sie es gerade erwähnen … sollten wir ihm nicht erst das Hemd ausziehen? Wir wollen es ja nicht durchlöchern.«
    »Sie wirken sehr angespannt«, stellte Mary fest.
    »Ich habe noch nie jemanden getötet oder veruntötet«, antwortete ich. »Auch sonst habe ich noch nie jemandem einen spitzen Gegenstand in die Brust gerammt. Ich habe auch noch nie eine Leiche verstümmelt, obwohl ich in den letzten Tagen reichlich Gelegenheit dazu gehabt hätte.«
    »Weißt du«, sagte John, »wenn wir den Deckel auf den Sarg legen, ist ein Loch im Hemd eigentlich nicht der Rede wert – es sieht sowieso niemand.«
    Ich hielt inne. »Den Deckel?«
    »Tja, der Sarg hat einen Deckel«, erläuterte John. »Wir müssen ihn einfach nur geschlossen halten.«
    »Du genialer Quatschkopf!«, rief ich erleichtert. »Wenn wir den Deckel auflegen und vernageln, brauchen wir überhaupt keine Leiche mehr.«
    »Warum haben wir uns dann überhaupt die ganze Mühe gemacht?«, wollte Mary wissen.
    »Weil wir Mister Gaddie beweisen mussten, dass wir eine Leiche haben. Das ist inzwischen geschehen, er hat sich überzeugt und muss den Toten nicht noch einmal sehen. Er nimmt an, dass die Leiche hier drinnen liegt, und solange Gustav während der Beerdigung nicht schnurstracks zur Tür hereinmarschiert, wird er keinen Verdacht schöpfen.«
    »Wir könnten ihn in einen Schrank sperren«, schlug John vor.
    »Oder wir ketten ihn im Keller an die Wand«, regte Mary strahlend an.
    »Meinetwegen nagelt ihn am Boden fest«, knurrte ich. »Ich helfe euch sogar, den Knebel eng zu ziehen. Bringen wir es so schnell wie möglich hinter uns! Früher oder später wird Harry hier auftauchen, und ich würde es begrüßen, wenn Mister Gaddie lange vorher verschwunden wäre. Sind Sie mit einer Kutsche vom Beerdigungsinstitut hergekommen?«
    »Mit einem Wagen« erklärte Mary. »Er müsste noch draußen warten.«
    »Dann fahren wir los.«
    Da in der ganzen Stadt Heerscharen von Menschen unterwegs waren, trafen wir viel später im Beerdigungsinstitut ein als geplant. Unser Kutscher verriet uns, der Prinzregent habe endlich das Parlament aufgesucht, was den Menschenauflauf erklärte. Einige wollten ihm zujubeln,während andere protestierten. In dem Gedränge kamen wir nur langsam voran. Schließlich erreichten wir die Hintertür des Bestattungsunternehmens, schlossen auf, rollten den Sarg hinein und schickten den Kutscher mit seinem Wagen weg. Drinnen war es finster und bedrückend, überall waren die Läden zugeklappt.
    »Ihr seid zurückgekehrt«, verkündete jemand ebenso gewichtig wie langsam. Ich musste mich gar nicht umdrehen, um den Leichenbestatter Spilsbury zu erkennen.
    »In der Tat«, bestätigte ich. »Ist Mister Beard hier?«
    »Mister Beard?«
    »Archibald«, sagte ich. »Ihr Partner.«
    »Mister Archibald Beard war seit heute Morgen nicht mehr da«, erklärte Spilsbury gemessen. »Er könnte …«
    »Wie dem auch sei«, unterbrach ich ihn, »Sie können es auch für uns erledigen. Wir beauftragen Sie mit einer Beerdigung, und zwar in Kürze. Wie spät ist es?«
    Spilsbury setzte zu einer Antwort an, doch Mary unterbrach ihn. »Halb vier.« Sie hatte auf eine kleine Uhr auf einem Regal geblickt. »Also haben wir noch eine halbe Stunde.«
    »Dieser verdammte Menschenauflauf!«, schimpfte ich. »Die verdammten Bankiers!« Ich schnappte mir eine Eisenstange und hob den Deckel von Gustavs Sarg an. »John, wie schnell kannst du uns eine Totenrede schreiben?«
    »Wenn ich …«, begann Spilsbury.
    »Ich könnte ohne Weiteres improvisieren«, erwiderte John. »Aber wenn du ein echtes Kunstwerk erwartest, brauche ich ein wenig Zeit.«
    »Du hast eine halbe Stunde«, sagte ich. »Mary, helfen Sie mir doch bitte mit dem

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