Sassinak
Dann warteten sie über zwei Stunden, bis die Überwachungssysteme der Piraten sie nicht mehr erfassen konnten.
»Ich muß vielleicht einen guten Beobachtungsposten aufgeben«, sagte Sass, »aber ich werde nicht plötzlich vor ihnen auftauchen und ›Buh!‹ rufen. Vielleicht werden wir uns davonstehlen können, ohne daß sie uns überhaupt bemerken.«
Langsam und behutsam steuerten die Piloten die Zaid-Dayan aus der Felsspalte, in der sie sich versteckt hatte, und beschleunigten von dem Möndchen weg. Als es endlich hinter ihnen lag, atmete Sassinak tief durch. Obwohl sie ihnen in einer kritischen Phase Schutz gewährt hatte, war eine Mondoberfläche nicht das natürliche Element ihres Schiffes, und sie fühlte sich im freien Raum sicherer. Sie konnten ringsum wieder alles ›sehen‹ und waren nicht mehr auf den schmalen Blickwinkel beschränkt, den der Mond und seine zerklüftete Oberfläche festlegten.
Als das Schiff an Geschwindigkeit gewann, funktionierten alle Systeme perfekt – keine roten Lichter flackerten auf der Brücke, um vor aufgetretenen Funktionsstörungen zu warnen. Hätte sie nicht von den beschädigten Düsen und dem geflickten Loch in der backbordseitigen Andockbucht gewußt, dann hätte Sassinak geglaubt, das Schiff sei in einem perfekten Zustand.
Die Navigation durch den Wirrwarr in der Umgebung des Planeten beanspruchte in den nächsten Stunden ihre ganze Aufmerksamkeit. Als alle Satelliten und Ringe hinter ihnen lagen, war die Angriffsformation der Flotte nur noch ein paar Lichtminuten entfernt. Sie entschied sich dafür, ihr nicht entgegenzuspringen, sondern bei den Insystem-Haupttriebwerken zu bleiben und sich in den Stunden der Annäherung zu vergewissern, daß ihr Schiff und ihre Mannschaft für eine Inspektion bereit waren. Einige Minuten Beschäftigung mit den Personaldateien hatten sie daran erinnert, daß ihr Commodore Verstan in dem Ruf stand, kleinlich zu sein. Sie hatte das Gefühl, daß er eine Menge über die Erscheinung ihres Schiffs zu sagen haben würde.
In der Zwischenzeit fiel ihr auf, daß seine Annäherung an die Piratenbasis genau den Empfehlungen in den Vorschriften für Konfliktfälle entsprach. Zwei Schiffe der Escortklasse, die Scratch und die Darkwatch, waren zur Sonne des Planeten hin ausgerichtet, ohne Zweifel, um ›Irrläufer‹ abzufangen. Der Kommandokreuzer, die Seb Harr, und die beiden leichten Kreuzer bildeten einen Keil; drei Patrouillenschiffe waren jeweils an den Flanken und hinter dem Heck positioniert. Sie behielten diese Positionen bei, als sich die Zaid-Dayan näherte, statt sich im Planetensystem zusammenzuziehen.
Sassinak brachte die Zaid-Dayan hinter der Seb Harr in Position und öffnete den stark abgeschirmten Kanal zu Commodore Verstan. Er sah genau wie seine Holographie im Verzeichnis der Flaggenoffiziere aus, ein hagerer Mann mit rosigem Gesicht, dichtem grauen Haar und strahlend blauen Augen. Hinter ihm konnte sie Huron erkennen, der angespannt auf den Bildschirm schaute.
»Commander Sassinak«, sagte Verstan förmlich. »Wir haben Signale von einem Notsignalfeuer der Flotte empfangen.«
Sassinaks Laune erhielt einen Dämpfer. Wenn er schon so anfing …
»Aber ich denke, das war eine Art … Mißverständnis.« Sie wollte etwas sagen, aber er fuhr ohne abzuwarten fort. »Leutnant Commander Huron hat die Möglichkeit angedeutet, daß die scheinbare Explosion Ihres Schiffs irgendwie inszeniert worden ist, obwohl ich glaube … hm … daß Vertreter der traditionellen Taktik in diesem Fall das Signalfeuer deaktiviert hätten.«
»Sir, in diesem Fall war das Signalfeuer notwendig, um die Piraten zu täuschen.«
»Ah, ja. Die Piraten. Und wievielen bewaffneten Schiffen haben Sie sich gegenübergesehen, Commander?«
Sassinak biß die Zähne aufeinander. Ein Untersuchungsausschuß würde sich der Sache annehmen; unter Umständen wie diesen wurde immer ein Untersuchungsausschuß tätig, und erst dann wäre der richtige Zeitpunkt für solche Fragen.
»Das erste bewaffnete Schiff«, erklärte sie, »hat den Frachter der Sklavenhändler begleitet. Wir wußten zu diesem Zeitpunkt noch nicht, ob der Frachter bewaffnet war.«
»Aber das traf nicht zu. Sie hatten das IFF-Signal …«
»Wir wußten, daß das IFF-Signal des Begleitschiffs gefälscht war, und im Fall des Frachters waren wir uns nicht sicher. Einige von ihnen sind bewaffnet; Sie werden sich an den Verlust der Cles Prel erinnern, als ein angeblich unbewaffneter Frachter einen
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