Sassinak
auch vermutet. Dieser verdammte Idiot!« Wut und Trauer erstickten sie, stritten in ihrem Herzen und in ihrer Seele hoffnungslos miteinander. Wenn er nur nicht … wenn sie nur … wenn nur irgendein mieser Pirat eine unruhige Hand gehabt hätte …
»Es tut mir leid, Sass. Commander.« Arly stolperte unsicher über ihren Namen. Sassinak zwang sich in die Gegenwart zurück.
»Er war … ein guter Mann.« Das genügte nicht; es war die abgedroschenste Phrase, die man sich ausdenken konnte, aber es stimmte auch. Er war ein guter Mann gewesen, und als guter Mann hatte er sich geopfert, vielleicht unnötigerweise, wahrscheinlich sehr tapfer, und sie würde ihn nie wiedersehen. Ihn nie wieder spüren. Sassinak schauderte, schluckte und griff nach dem Drink, den man ihr gerade gebracht hatte. Sie nippte daran, schluckte, nippte noch einmal. »Er wollte mit«, sagte sie ebenso sehr zu sich wie zu Arly.
»Er war schon darauf aus, noch bevor Sie auf die Zaid-Dayan gekommen sind«, sagte Arly unvermittelt. Sassinak starrte sie an und war überrascht darüber, daß sie so überrascht wurde. Arly kippte die Hälfte ihres Drinks hinunter und fuhr fort: »Ich kenne Sie … er … Sie beide haben sich nahegestanden, Commander, und das ist schön, aber Sie haben ihn vorher nicht gekannt. Ich habe sechs Jahre mit ihm gedient, und er war in Ordnung … da gebe ich Ihnen recht. Aber er war auch wild – sehr viel wilder, bevor Sie an Bord gekommen sind.«
»Huron?« Mehr konnte sie nicht sagen, damit Arly weiterredete, während sie versuchte, langsam mit ihren eigenen Gefühlen zu Rande zu kommen.
Arly nickte. »Es steht nicht in seiner Datei, weil er auf seine Art eben auch sorgfältig war, aber er hat sich immer wieder geprügelt. Wissen Sie, wenn jemand etwas Abfälliges über Kolonisten sagte, ist er schon ausgerastet. Meistens ging’s um politische Dinge. Er würde nie sein eigenes Schiff bekommen, hat er mir einmal gesagt, nachdem er sich geschlagen hatte. Er hatte zuviel an den falschen Orten über die großen Familien gesagt für jemanden mit so wenig Rückendeckung wie er.«
»Aber er war ein guter Stellvertreter …« Sie hatte Schwierigkeiten, sich Huron als einen Hitzkopf vorzustellen, der Ärger machte.
»Oh, ganz sicher. Er hat Sie auch gemocht, und das hat geholfen, obwohl er ziemlich verärgert war, weil Sie nicht um diese Kolonie gekämpft haben.«
»Ja, das kann man sagen.« Sassinak ließ es zu, daß sie an ihren schmerzlichen Streit zurückdachte, an einen frostigen Rückzug.
»Ich … ich dachte, Sie sollten es wissen«, sagte Arly und zog mit den Fingerspitzen ein Muster auf der Tischplatte nach. »Er hat Sie wirklich gemocht, und er hätte Ihnen sicher gern gesagt, daß es nichts mit Ihnen zu tun hatte, daß nicht Sie der Grund waren, weshalb er ging. Er hätte es auf die eine oder andere Art sowieso geschafft, in immer mehr Kämpfe zu geraten, bis es ihn eines Tages erwischte. Kein Captain wäre ihm tapfer genug gewesen.«
Trotz Arlys gutgemeinter Versicherung stellte Sassinak fest, daß ihre Trauer länger andauerte, als irgendjemand gutheißen konnte. Sie hatte andere Geliebte verloren, flüchtige Beziehungen, die erblüht und wieder verwelkt waren und nur einen schwachen Duft zurückgelassen hatten … und wenn der Geliebte, ein Jahr später oder so, verschwand oder starb, hatte sie Trauer empfunden, aber keine so tiefe Trauer wie jetzt. Sie konnte sie nicht abschütteln, sie konnte nicht einfach weitermachen, als sei Huron nur eine weitere flüchtige Affäre gewesen.
Sie wußte nicht einmal genau, warum Huron ihr so viel bedeutet hatte. Er war weder stattlicher noch in Liebesdingen einfallsreicher, weder intelligenter noch einfühlsamer gewesen als viele andere Männer, mit denen sie ihre Zeit verbracht hatte. Als mehr Einzelheiten des Überfalls bekannt wurden, stellte sie fest, daß Arly mit ihrer Vermutung recht gehabt hatte: Huron hatte darauf bestanden, sich der Landemannschaft anzuschließen, hatte sich unter krasser Mißachtung der elementarsten Vorkehrungen in Gefahr begeben und war gleich zu Beginn des Angriffs auf den Hauptquartierkomplex der Piraten gefallen. Sassinak bekam zu Ohren, was ihre eigene Mannschaft ihr aus Rücksicht verschwieg: die Leute des Landungstrupps, die er begleitet hatte, betrachteten ihn als halb verrückt oder ruhmsüchtig und wußten nicht, was überwogen hatte. Die offizielleren Berichte charakterisierten ihn als ›äußerst tapfer‹ und seine posthume
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