Sassinak
Sassinak mit Abe auf Regg eintraf, war sie so wie er geneigt die Flotte zu rühmen, und froh, sich selbst fast als eine Dienerin der Flotte betrachten zu können. Eine Steigerung konnte nur darin bestehen, ein vollwertiges Flottenmitglied zu werden. Und sie fand bald heraus, daß Abe genau das für sie geplant hatte.
»Du hast das Köpfchen«, sagte er feierlich, »um es auf die Liste der Akademie zu schaffen und ein Flottenoffizier zu werden. Und nicht bloß das Köpfchen, sondern auch den Mumm. Du warst nicht die erste, der ich zu helfen versucht habe, Sass, aber du warst die einzige von dreien, die nicht zusammengebrochen ist, als es Zeit wurde, zu gehen. Und die beiden anderen wurden getötet.«
»Aber wie?« Sass wünschte sich nichts mehr, als die glänzenden weißen Bögen der Akademietore zu durchschreiten … aber das erforderte Empfehlungen von FES-Repräsentanten. Wie sollte eine Weise von einer geplünderten Kolonie jemanden davon überzeugen, sich für sie auszusprechen?
»Da gibt es erst einmal die Vorschule der Flotte. Wenn ich dich offiziell adoptiere, dann kommst du als Tochter eines Flottenveteranen in die engere Wahl -und nein, es ist ohne Bedeutung, daß ich kein Offizier bin. Wer zur Flotte gehört, der gehört zur Flotte.«
»Aber du bist …« Sass errötete. Abe war unter Protest in den Ruhestand versetzt worden; sein verletzter Arm ließ sich nicht mehr behandeln, und deshalb hatte ihm der Medizinische Ausschuß keine Zulassung mehr erteilt. Er hatte gestritten, gebettelt und war schließlich so mürrisch, wie sie ihn noch nie erlebt hatte, in die ihnen zugewiesenen Unterkünfte zurückgekehrt.
»Pensioniert, aber immer noch Flottenmitglied. So was nennt man Kameradschaft, ich hab’s ja gleich gewußt. Ich wußte es schon, als der Arm nicht mehr richtig verheilt ist – nach sechs Monaten oder so ist es zu spät. Aber ich dachte, ich könnte sie dazu kiplingen.«
»Kiplingen?«
»Kipling hieß der Mann, der die Hälfte der Lieder geschrieben hat, die in der Flotte gesungen werden, und wahrscheinlich die meisten anderen. Im Dienstjargon meint man mit kiplingen, wenn man jemanden mit süßen Worten zu etwas überreden will, vor allem mit sentimentalem Gerede. Wo du herkommst, sagt man wahrscheinlich ›jemand zu etwas irischen‹ dazu, und ich wette, du weißt nicht, woher das kommt. Aber keine Sorge – ich kann zwar keinen aktiven Dienst mehr leisten, aber verkrüppelte Veteranen …« Sein Gesichtsausdruck gab zu verstehen, daß er sich nicht gern als einen Krüppel betrachtete. »Wir alte Haudegen können gewöhnlich in einem der Büros arbeiten.« Sass erkundige sich noch einmal nach der Vorschule.
»Du verbringst dort drei bis vier Jahre, bis du die Examen absolvierst – und ich habe keinen Zweifel, daß du es schaffen wirst. Mach dir keine Sorgen über die nötigen Papiere. Du hast den Captain mächtig beeindruckt, und er ist mit der Hälfte der FES-Repräsentanten in diesem Sektor verwandt.«
Von da an lief alles glatt: die Adoption, die Aufnahme in die Vorschule. Obwohl die anderen Studenten in ihrem Alter waren, verfügte niemand über ihre Erfahrung, und sie waren immer noch jung genug, um ihr mit Ehrfurcht zu begegnen. Sass stellte fest, daß sie dank ihrer technischen Sklavenausbildung ihrem Mathematikunterricht weit voraus war, während Abes Lektionen in körperlicher Disziplin und Konzentration ihr halfen, Rückstände in den Sozialwissenschaften aufzuholen. Im sozialen Leben der Schule fühlte sie sich anfangs fehl am Platze – sie konnte nicht so problemlos Freundschaften schließen wie in jüngeren Jahren –, aber sie freute sich mit einem derart zielstrebigen Ehrgeiz auf die Akademie, daß alle sie bald nur als einen von der Akademie besessenen Streber betrachteten.
Abes Apartment, in einem großen Block ähnlicher Gebäude, war mit keiner Unterkunft zu vergleichen, in der Sass je gelebt hatte. Das Apartment ihrer Eltern auf Myriad hatte sich in einem standardmäßigen vorgefertigten Gebäude befunden, und war so angelegt gewesen wie alle anderen Apartments in der Kolonie. Großfamilien bewohnten nach Bedarf zwei oder drei Apartments mit in Zwischenwänden eingefügten Türen. Keines der Wohnquartiere und wenige der anderen Gebäude waren höher als ein Geschoß. Auf dem Sklavenplaneten standen noch billigere vorgefertigte Gebäude, große, häßliche Kästen, die auf maximalen Volumeninhalt konzipiert waren. Dort hatte sie in einer fensterlosen Baracke
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