Satans Bruder
Seiten waren vergilbt, doch sonst sah der Band aus, als hätte ihn noch nie jemand in die Hand genommen.
Ich stellte es zurück und nahm einen beliebigen anderen Schmöker heraus: Vom Winde verweht; dann zwei Werke von Irving Wallace, alle mit Barbara Morelands Exlibris.
»Das war wohl ihr Zimmer«, sagte Robin. »Die große Bibliothek neben seinem Büro ist dann wahrscheinlich eher seine. Vielleicht hat er da ein Buch herausgenommen und auf deinen Schreibtisch gelegt. Komm, lass uns nachsehen.«
»Es ist nicht gerade das beste Wetter für einen Spaziergang.«
Sie winkte mit einem Finger vor meiner Nase. »Und wer hat sein Regenmäntelchen vergessen?«
»Jedenfalls nicht die stets auf alles vorbereitete Jo Picker. Ich frage mich, ob sie unter diesem Riesenkondom auch ihre Kanone dabeihatte. Ich hätte darauf bestehen sollen mitzukommen. Vielleicht gehe ich besser sofort zum Spinnenzoo und sehe nach, was die beiden dort treiben.«
»Nein«, sagte Robin. »Wenn sie bewaffnet ist, will ich nicht, dass du draußen in der Dunkelheit herumläufst. Was ist, wenn sie dich für einen Eindringling hält?«
»Oder wenn sie so tut, als würde sie mich für einen halten.«
»Hast du sie wirklich im Verdacht?«
»Jedenfalls arbeitet sie für Stasher-Layman.«
Sie runzelte die Stirn. »Und Pam ist da draußen mit ihr allein - lass uns nachschauen, ob Bill etwas für dich hinterlassen hat.«
»Zwei wandelnde Zielscheiben? Kommt nicht in Frage.« Ich knöpfte meinen Hemdkragen zu und schlug den Kragen hoch. »Du gehst wieder nach oben und schließt dich ein und ich laufe rasch rüber. Ich werde mich von hinten anpirschen. Dann kann man mich vom Spinnenhaus aus nicht sehen.«
Sie ergriff meinen Arm. »Du lässt mich hier nicht allein. Wenn ich hier sitze und auf dich warte, habe ich erst recht Angst.«
»Ich werde mich beeilen. Wenn ich in zehn Minuten nichts finde, werde ich es aufgeben.«
»Bitte, Alex, lass mich nicht allein.«
»Dann lassen wir das Ganze eben bleiben. Wenn Moreland mir eine Botschaft übermitteln wollte, hätte er es einfacher haben können.«
»Aber wenn er in Gefahr ist ...«
»Was würde es ihm schon helfen, wenn wir seinen Disraeli-Quatsch entschlüsselten?«
»Ich weiß nicht, aber du hast selbst gesagt: Er tut nichts ohne Grund. Er mag seine Spiele spielen, aber es steckt immer etwas Ernstes dahinter. Komm schon, beeilen wir uns.«
Wir waren sofort vollkommen durchnässt. Ich hielt Robin am Arm und konzentrierte mich darauf, auf dem schlüpfrigen Weg zu bleiben. Wenigstens war das Knirschen des Kieses nicht zu hören, denn der Wolkenbruch übertönte alles.
Wir gingen langsam weiter, bis ich das gelbe Licht über meiner Bürotür sah. Ich blieb stehen und schaute mich um. Es war niemand in Sicht, doch bei diesem Wetter hätte sich eine ganze Armee dort verstecken können. Wenn Moreland da draußen war, würden wir ihn vor Sonnenaufgang bestimmt nicht finden.
Ich schaute zum Insektarium hinüber. Die Lichter waren aus. Pam und Jo waren also nicht hineingekommen.
Der Regen klatschte uns auf Hals und Rücken. Ich klopfte Robin auf die Schulter und wir rannten zusammen zu meinem Bungalow. Die Tür war nicht abgeschlossen, genau wie ich sie hinterlassen hatte. Ich schob Robin nach drinnen, dann ging ich selbst hinein und knipste die schwächste Lampe an, die es dort gab, eine Schreibtischlampe mit Glasschirm.
Das Wasser schwappte über den Holzboden. Unsere Kleider klebten uns am Leib und jeder Schritt hörte sich an, als würden wir auf Schwämmen laufen.
Mein Schreibtisch war mit Büchern und Zeitschriften bedeckt - ganze Stapel, die am Nachmittag noch nicht da gewesen waren.
Es waren hauptsächlich medizinische Schriften, doch nichts über Disraeli. Nichts, was mit DISR begann.
Und dann fand ich es: ein dicker, blauer Band ganz unten in einem der Stapel. Das Oxford Dictionary of Quotations - ein Zitatwörterbuch.
Ich schlug Seite 184 auf: Weisheiten von Benjamin Disraeli. Zeile 18 lautete:
Gerechtigkeit ist Wahrheit in Aktion
Sollte das alles sein? Der verrückte alte Bastard.
Robin las das Zitat laut vor sich hin.
Ich versuchte mich an das Auden-Zitat zu erinnern - nackte Gerechtigkeit, Gerechtigkeit ist Wahrheit ...
Wollte er, dass ich etwas tat, um Gerechtigkeit herzustellen?
Aber was?
Ich fühlte mich plötzlich müde und nutzlos. Ich ließ einen triefenden Arm auf den Schreibtisch sinken und wollte das Buch schließen, doch dann fiel mir ein winziger, mit Bleistift
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