Satans Erbe (German Edition)
schmerzende Rückgrat. Sein Blick glitt durch die Terrassentüren in die Küche. Martha stand vor einem Hängeschrank und streckte sich vergeblich nach etwas aus. Er ließ die Schere fallen, streifte im Laufen die Gummistiefel ab und eilte ins Haus. Hinter Martha langte er mühelos in den hohen Schrank, dabei berührte er mit seinem Unterleib ihren Rücken. Das Kribbeln katapultierte den Satz, den er eben im Kopf formuliert hatte, sekundenschnell ins Jenseits.
»Das Teeservice – ja, genau das.« Martha nahm das gute Porzellan Stück für Stück entgegen und stellte es auf die Anrichte. »Danke für deine Hilfe.«
John klappte die Schranktüren zu und wich einen Schritt zurück. Er schluckte. »Brauchst du sonst noch was?« Seine Stimme klang, als rubbelte sie über ein Reibeisen.
Martha lehnte sich an die Marmoranrichte und ließ ihren Blick über seinen Körper streifen. Ihr Gesicht flammte tomatenrot auf und sie drehte sich zur Spüle um.
»Nein danke, John-Pierre.«
Er verdrehte die Augen, während er ein wenig steifbeinig aus der Küche trottete und sich einen Esel schimpfte.
»Na endlich!«, schmollte Lisa, doch blitzschnell stahl sich ein Grinsen in ihr Gesicht. Sie saß im Schneidersitz auf ihrer Tagesdecke, ein bauchiges Glas auf dem Nachttisch, worin die Rosenblüte schwamm. Ihr Riesenbär Tobi lehnte in der Ecke des Bettes und schien belustigt seine kleine Freundin anzulächeln.
John zog sich einen Korbsessel heran und setzte sich. Er war viel zu mickrig für ihn und seine Knie stachen in die Luft. Er beugte sich nach vorn und zeigte auf die Rose. »Weißt du, wie sie heißt?«
Lisa drückte ihr Kopfkissen an den Oberkörper und schüttelte bedächtig den Kopf.
»Schneewittchen.«
»Oohh!«
»Das Märchen von Schneewittchen kennst du ja. Spieglein, Spieglein an der Wand, wer ist die Schönste im ganzen Land?«
Lisa nickte und schien ein wenig enttäuscht. Wie immer schob sie ihre Unterlippe vor, wenn sie schmollte, nichts sagen wollte, aber dennoch aufmerksam zuhörte.
»Aber kennst du auch die Geschichte von Aennchen von Tharau und ihrer Schwester, die ihr so ähnlich sah?«
Lisa schüttelte den Kopf, sodass ihre langen Haare umherflogen. John entging nicht ihr schüchterner Seitenblick auf Lenas gerahmtes Foto an der Wand.
»Es war einmal mitten im Winter, die Schneeflocken rieselten zur Erde und es ward bitterkalt … In dem alten Haus zog es, die Dielen knarrten und kein Feuer erwärmte die Glieder der beiden Mädchen. Sie waren mutterseelenallein, niemand sorgte sich um sie und so kam es, dass sie auf ein riesiges Schiff geführt wurden …
Eine reiche, kinderlose Familie aus einem fernen Land wartete auf sie. Die Kinder freuten sich und sprangen umher, ein jeder auf dem Dreimaster frohlockte mit ihnen … ein Sturm nahte, er schob dicke Wolkenberge vor sich her, ließ Blitz und Donner folgen … Das eisige Salzwasser schwappte an Bord und die Geschwister klammerten sich bange aneinander … Vor Angst, Hunger und Kälte verkrochen sie sich in einem leeren Weinfass, dass es sie wärmen und beschützen mochte. Sie spürten, wie der Tod wieder an ihnen nagte. Es war ihr Schicksal, gemeinsam zu sterben. Es war wie ein Wunder, als die Sonne durch das Grau am Himmel brach und das mächtige Schiff noch in einem Stück in den sicheren Hafen lief. Aennchen von Tharau starrte voller Trauer auf ihre ihr so ähnliche Schwester, die tot am Boden des Fasses lag.
Es ward Frühling, als sie über die Planken getragen wurden und beide ein neues Zuhause fanden – Aennchen von Tharau im Haus der liebevollen Familie und ihre Schwester in einem schönen Grab im imposanten Garten. Täglich hegte und pflegte Aennchen von Tharau die letzte Ruhestätte ihrer Schwester und alsbald erblühten dort Rosen liebreizender als Schneeflöckchen. Aennchen von Tharau war glücklich. Ihre Schwester war bei ihr, schöner und strahlender als je zuvor. Sie bewuchs alle Länder, verströmte einen magischen Duft und machte jeden froh, der sich um sie kümmerte.
So, liebe Lisa, wie ich mich im Garten um Schneewittchen kümmere und du dich um diese, deine wunderschöne Blüte.«
30.
Stevensburc, Kanton Bern
1448 n. Chr.
I mmer wieder blieb er stehen und lauschte angestrengt. Er hörte nichts Auffälliges, also konnten die Häscher ihm nicht gefolgt sein. Sie wussten nicht von seiner Existenz und seine Überzeugung wuchs, dass ihn niemand gesehen hatte.
Nach wie vor leuchtete der Mond am
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