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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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schlimmere Stromschnellen bereithielt, beschwerte sich niemand über die widrigen Umstände. Die Männer machten sich an die Arbeit, und zwei Tage später war man bereit zum Aufbruch.
    Drei Tage lang arbeiteten sie in mehreren Gruppen, die sich immer wieder gegenseitig ablösten. Sie hievten, zogen, zerrten und schoben die Floßstämme die Steigung neben dem riesigen Wasserfall hinauf und ließen sie anschließend mit Hilfe von Tauen, die sie um Bäume schlangen, um Gegengewichte zu erzeugen, auf der anderen Seite den Abhang hinunter. Dann, während zwei Männer die Flöße wieder zusammenzurrten, trugen die anderen sechs die schweren Kisten mit ihrer tödlichen Fracht über dieselbe Strecke.
    Insofern man zermürbende körperliche Arbeit genießen kann, hatte Nikolai Spaß daran. Der Kampf gegen die Gesetze der Physik beim Transport der schweren Stämme über den Berg und der Kampf gegen die eigenen Grenzen von Körper und Geist erschienen ihm einfach und klar im Gegensatz zu den eher unterschwelligen Schwierigkeiten seiner Mission.
    Hier war kein Betrug gefordert, sondern nur reine, schweißtreibende Muskelkraft, Entschlossenheit und Köpfchen. Nikolai empfand die Arbeit als reinigenden Prozess, und obwohl er am zweiten Tag heftigen Hunger litt, schien dieser seine Sinne nur zu schärfen und das Unwohlsein zu vertreiben, dass ihn, wie er jetzt erkannte, kurz nach seiner Trennung von Solange befallen hatte.
    Die tibetischen Helfer waren ein Wunder an Fröhlichkeit und Ausdauer. Da sie in jungen Jahren als Sherpas gearbeitet und schweres Gepäck über die Abhänge des Himalaya transportiert hatten, zeigten sie sich von der anstehenden Aufgabe keinesfalls entmutigt, sondern schienen deren Komplexität vielmehr nicht nur als körperliche, sondern auch als intellektuelle Herausforderung zu betrachten. Sie hatten Spaß daran, die Probleme von Gewicht und Gegengewicht zu lösen, und fertigten komplizierte Konstruktionen aus Tauen und Knoten an, die Nikolai immer wieder faszinierten.
    Er beschloss, falls er seine Mission überlebte, wollte er mehr Zeit in den Bergen verbringen und sich neue Klettertechniken aneignen.
    Nachts machten die Tibeter ein Feuer und kochten aus den schwindenden Vorräten starken Tee und Suppe, die jeden Abend dünner wurde. Trotzdem war es gut, die wunden Muskeln ruhen zu lassen und den Geschichten seiner Gefährten über Gespenster und Geister, kluge heilige Männer und tapfere Krieger zu lauschen, die Tasser für ihn in schnod deriges Amerikanisch übersetzte.
    Danach schlief Nikolai wie ein Stein und wachte erst kurz vor Morgengrauen auf, wenn die gute und harte Arbeit erneut begann. Er war fast ein wenig enttäuscht, als der Transport nach drei Tagen abgeschlossen und die Flöße wieder zusammengebaut waren, so dass die Reise flussabwärts fort gesetzt werden konnte.
    Hinter den Wasserfällen war der Fluss sanfter. Zerklüftete Felsen, Untiefen und gelegentliche Stromschnellen machten die Reise nach wie vor beschwerlich, aber nur zwei Tage später warf Tasser einen prüfenden Blick auf die unzulängliche Karte und verkündete hocherfreut: »Wir sind raus aus dem verdammten China.«
    Sie befanden sich jetzt in der französischen Kolonie Laos, und der Fluss hieß jetzt nicht mehr Lekang, sondern Mekong.
    Auf fast mystische Weise schien er sich der Namensänderung anzupassen. Er wurde breiter, langsamer und durch den Schlick, der von den Himalaya-Ausläufern herunterkam und sich hier sammelte, auch dunkler.
    »Wie wir«, meinte Tasser. »Wir sind braun und kommen aus Tibet.«
    Die Berge auf beiden Seiten des Flusses waren jetzt grüner, die Vegetation üppiger, und hier und da tauchte hinter einer Flussbiegung auch ein Bambusdorf auf, dessen Häuser zum Schutz gegen die regelmäßigen Überschwemmungen auf Pfeilern gebaut waren.
    In einem dieser Dörfer machten sie halt, um Verpflegung zu kaufen, und Nikolai merkte, dass Tasser ein bisschen mehr wusste, als er zugab.
    »Ich weiß ja nicht, was in den verfluchten Kisten ist«, sagte er, »und ich will es auch nicht wissen. Aber wenn du das da hinbringst, wo ich denke, dass du’s hinbringst, dann halt bloß die Klappe. Das hier sind Hmong und die haben für die Kommies nicht viel übrig. Also komm denen nicht mit deinem »Genossen«-Scheiß, sonst nehmen die einen ihrer Krummsäbel und schneiden dir die Rübe ab. Kapiert?«
    »Kapiert.«
    »Noch was«, warnte Tasser, als er das Floß an eine sandige Stelle auf der rechten Flussseite manövrierte.

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