Satori - Winslow, D: Satori - Satori
Floß gerissen.
Als er in das kalte Wasser eintauchte, war das wie ein Schock. Er schwamm zurück an die Oberfläche, doch dann traf ihn die Erkenntnis, dass er sich im Fluss befand und unausweichlich auf den Wasserfall zutrieb.
Damals, während seiner glücklichen Zeit in Japan, hatte er sich bei den gemeinsamen Höhlenerkundungen mit seinen Freunden bereits in so manch brenzliger Situation befunden. Die schmalen Kammern hatten sich plötzlich verengt und schienen häufig keinen Ausweg zu bieten oder er war von unterirdischen Strömen eingeschlossen worden und das Wasser war in der pechschwarzen Dunkelheit unter ihm hindurchgezischt – doch damals hatte ihm die Gefahr Spaß gemacht, und so zwang er sich jetzt, das Entsetzen zu unterdrücken und sich auf sein Überleben zu konzentrieren.
Zunächst musste er sich umdrehen, er kämpfte so lange, bis er mit den Füßen zuvorderst im Strom schwamm. Er wusste nicht, was ihn unten erwartete, aber sicherlich war es besser, dem Unbekannten mit den Füßen und nicht mit dem Kopf voran zu begegnen, damit er sich im Zweifelsfall eher ein Bein als das Genick oder die Schädeldecke brach. Er wusste, wenn der Wasserfall an einer seichten Stelle auf Felsen traf, hatte er keine Überlebenschance, aber die Ehre gebot, dass er trotzdem sein Bestes gab.
Dann presste er die Arme fest an den Körper und die Beine aneinander, um ein möglichst kompaktes Geschoss abzugeben und zu verhindern, dass seine Gliedmaße zu Hebeln wurden, die ihn erneut drehen und völlig verquer den Wasserfall hinunterstürzen würden.
Er hielt Hals und Kopf über Wasser solange es ging, nahm einen tiefen Atemzug (seinen letzten?, fragte er sich) und wurde hinuntergespült.
Der Fall war lang und heftig, das Wasser prügelte auf ihn ein, wollte ihn aus seiner Haltung reißen, aber er hielt durch, wartete auf die »Landung«, die seinen Körper zerschmettern oder verstümmeln würde.
Doch dann spürte er die Ruhe eines Tümpels und merkte, dass er den Fall überlebt hatte.
Als er nach oben schaute, begriff er, dass er gerade knapp zwölf Meter tief gestürzt war. Er trat Wasser, um wieder zu Atem zu kommen und sah beide Flöße flussabwärts am rechten Ufer liegen.
Sie waren in schlechtem Zustand.
Das Verdeck des ersten war eingedrückt und mehrere Ruder waren gebrochen. Das zweite Floß sah wenig besser aus, sein Bug war zerklüftet wie ein abgebrochener Zahn. Aber beide hatten den Drachenschlund passiert, und wie durch ein Wunder standen die Kisten noch mitten drauf, wie Kühe, die sich bei aufziehendem Regen zusammengerottet hatten.
Einer aus der Mannschaft stand am Wasser, entdeckte ihn und fing an, auf ihn zu zeigen und zu rufen, während Nikolai völlig erschöpft ans Ufer schwamm und sich auf die groben Steine legte, unfähig, sich weiter zu bewegen.
»Hab gedacht, dich hat’s erwischt«, sagte Tasser über ihn gebeugt.
»Ich auch.«
»Freut mich, dass du’s geschafft hast.«
»Danke.«
»Logisch, ich krieg ja noch Kohle von dir.«
Und mit dieser rührseligen Bemerkung zog er Nikolai auf die Füße.
An den darauffolgenden drei Tagen rasteten sie, reparierten die beschädigten Flöße und Ruder und studierten den nächsten Flussabschnitt auf der ungenauen Karte.
»Diese sogenannte Karte ist völlig nutzlos«, sagte Nikolai.
Tasser und Nikolai gingen zu Fuß weiter, kletterten auf eine steile Klippe am rechten Ufer und sahen ihre schlimmsten Befürchtungen bestätigt: Ein Stück weiter flussabwärts drohte ein ungeheurer Wasserfall, viel höher als derjenige, der sie fast das Leben gekostet hätte.
»Den schaffen wir nicht«, sagte Nikolai.
»Seh ich genauso.«
Sie würden ihn umgehen müssen. Mit nur neun Männern würde der Transport über Land beschwerlich werden und viel Zeit in Anspruch nehmen, aber sie hatten keine andere Wahl. Also gingen sie zurück und begannen, die Flöße auseinanderzubauen und Stangen zu schlagen, an denen sie die Kisten schleppen konnten. Es kostete sie zwei Tage – womit sie insgesamt bereits fünf Tage unvorhergesehen verloren hatten – und auch der schwindende Proviant lieferte Anlass zu Besorgnis. Da es in den Schluchten entlang des Lekang keine Dörfer gab, in denen man Lebensmittel hätte kaufen können, mussten sie die Rationen kürzen – ein ernsthaftes Problem, denn gleichzeitig würde der Transport den Männern große körperliche Anstrengungen abverlangen.
Doch angesichts der Schrecken, die die Aussicht auf eine Fahrt durch noch
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