Satori - Winslow, D: Satori - Satori
Nikolai darauf bestanden hatte, mit den Waffen mitzufahren, anstatt ihn einfach in Saigon wiederzutreffen.
»Bis ich mein Geld habe«, hatte Nikolai erklärt, »bleibe ich bei meiner Ware.«
»Und ich zahle erst«, hatte Bay erwidert, »wenn die Ware sicher abgeliefert wurde.«
»Dann fürchte ich, werden Sie es mit mir aushalten müssen.«
Jetzt zündete Nikolai sich auch eine Zigarette an, lehnte sich zurück und genoss die relative Kühle des frühen Morgens und das Licht der roten Sonnenstrahlen, die über die Hügel kamen. Kleine Jungs trieben bereits Büffel zur Tränke und zum Baden an den Fluss, und Frauen holten Eimer voll schlammigem Wasser, das sie in ihre Dörfer trugen.
Sie warteten zwanzig Minuten auf die Rückkehr der Fähre vom anderen Flussufer, dann fuhr der schwere Laster vorsichtig auf die schwimmende Plattform. Dicke Seile waren an schweren Ringbolzen vertäut, über das Floß geführt und auf beiden Uferseiten jeweils am Geschirr eines Elefanten befestigt worden. Ein junger laotischer Mahout trat seinem Elefanten in die Seite, woraufhin die beiden Tiere durch den Fluss wateten und die Fähre ans gegenüberliegende Ufer zogen.
Ruckend kam sie wenig später zum Stehen. Zwei große rostige Blechplatten wurden heruntergelassen und der Laster holperte den Abhang hinauf auf eine Schotterstraße, die durch den Wald führte.
Fünf Stunden lang fuhren sie bergauf, arbeiteten sich langsam über Serpentinen den Hang hinauf. Kalksteinfelsen ragten aus den ansonsten grünen Anhöhen heraus. Mitten im Dschungel sah man immer wieder Felder mit trockenem Bergreis, und verkohlte Flächen zeugten von Brandrodungen. Männer, Frauen und Kinder – die meisten in weiten schwarzen Pullovern, ausgebeulten schwarzen Hosen und schwarzen Turbanen – standen auf den verbrannten Feldern, hackten die Überreste unter die Erde und bereiteten den fruchtbaren roten Boden für die Aussaat vor. Kleine zottelige Ponys grasten am Rande der Felder.
»Wer lebt hier?«, versuchte Nikolai ein Gespräch zu beginnen.
Bay war jetzt wacher und damit auch verträglicher. »Die Meo. Sie kamen vor zweitausend Jahren aus Sezchuan hierher.«
Nikolai sah die Reisfelder und die kleinen Äcker mit Kartoffeln und anderem Gemüse. Als sie höher kamen, fielen ihm jedoch noch andere Pflanzkulturen auf.
Klatschmohn.
»Sind die Meo auch Floristen?«, fragte Nikolai trocken.
Bay schmunzelte. »Früher haben die Viet Minh den Opiumanbau kontrolliert, jetzt machen wir das. Ich fürchte, das hat zu Missgunst geführt.«
Eine Stunde später führte die Straße in ein Tal und anschließend hinauf zu einem kleinen Städtchen auf einem Hochplateau. Der Ort bestand hauptsächlich aus Holzhütten und ein paar Geschäften, die sich um einige wenige ziegelgedeckte Backsteinhäuser und ein riesiges Kolonialgebäude gruppierten, das aussah, als wäre es einst eine Art Verwaltungszentrum gewesen.
»Der Palast des früheren französischen Gouverneurs«, sagte Bay.
»Wo sind wir?«, fragte Nikolai.
»Xieng Khouang«, erwiderte Bay. »So ziemlich die einzige Stadt hier oben. Wurde in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts von den Franzosen erbaut, später haben die Japaner sie sich unter den Nagel gerissen. Als sie verjagt wurden, gehörte sie eine Zeit lang dem Pathet Lao, bis die Meo den Franzosen geholfen haben, sie sich zurückzuholen.«
»Warum haben sie das gemacht?«
»Geld«, antwortete Bay. »Warum sonst?«
Sie durchquerten die Stadt ohne anzuhalten. Keine zwei Kilometer weiter kamen sie an eine Landepiste, die der Natur erst kürzlich mit Planierraupen abgerungen worden war. Eine DC-3 amerikanischer Herkunft mit den Zeichen des französischen Militärs stand, von französischen Fallschirmjägern bewacht, auf dem Flugfeld. Andere Soldaten luden zusammen mit einigen Meo Kisten aus Lastern und Pferdekarren in den Laderaum der Maschine.
»Das haben Sie nicht gesehen«, warnte Bay Nikolai.
Er stieg aus dem Laster. Nikolai rutschte hinterher und folgte ihm über die ungeteerte Piste zum Capitaine der Fallschirmjäger, der den Ladevorgang überwachte. Als er Bay Vien erblickte, ging er auf ihn zu, packte ihn an den Schultern und küsste ihn auf beide Wangen.
Dann erst bemerkte er Nikolai. »Capitaine Antoine Signavi.«
»Michel Guibert.«
Sie gaben sich die Hand.
Signavi war nur unwesentlich kleiner als Nikolai. Er trug frische Tarnkleidung, Springerstiefel und das zinnoberrote Barett der Fallschirmjäger. »Ich habe Bier auf Eis
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