Satori - Winslow, D: Satori - Satori
was über, Schatz, und steh auf. Ich muss mich mit unserem ungehobelten Gast unter vier Augen unterhalten.« Die Frau beugte sich aus dem Bett, fischte einen seidenen Morgenmantel vom Boden und zog ihn über. Bay sagte: »Geh runter und sag dem Koch, dass wir noch mehr Suppe brauchen. Der Koch lebt doch noch, Michel?«
»Ja.«
Die Frau schob sich an Nikolai vorbei, und er hörte sie den Gang hinunterlaufen.
»Die Pistole wird schwer in meiner Hand«, klagte Bay. »Wollen wir beide die Waffen ablegen? Wir werden uns doch nicht gegenseitig erschießen, oder?«
»Ich hoffe nicht.« Nikolai senkte langsam seine Waffe.
Bay tat es ihm gleich. »Sie sehen albern aus in der Jacke.«
»Ich komme mir auch albern vor.«
»Macht es Ihnen was aus, wenn ich mich anziehe?«
»Es wäre mir sogar lieber.«
Bay stieg aus dem Bett und verschwand in dem angrenzen den Badezimmer, kam aber schon einen Augenblick später in einem schwarzen seidenen Morgenmantel, der mit einem rot-grün gestickten Drachen verziert war, wieder heraus. Er band sich den Gürtel mit einem Knoten um die Taille, ging an Nikolai vorbei und sagte: »Wir wollen ins Esszimmer gehen.«
Dann kletterte er über den benommenen Wachmann, der auf dem Boden lag und sich noch immer die Kehle rieb.
»Nutzloser Scheißefresser«, sagte Bay. »Ich sollte ihn Beauty zum Fraß vorwerfen.«
»Ihrem Tiger?«, fragte Nikolai.
»Eine Tigerdame. Sie ist hübsch, nicht wahr?«
Nikolai folgte ihm nach unten.
131
Die Suppe war köstlich.
Sie wurde von einem verängstigten Cho und einem recht aufgebrachten Koch serviert und kam heiß und dampfend auf dem Esstisch aus Teakholz an. (»Ich habe ihm versichert, wenn er in Ihre Schüssel spuckt, schneide ich ihm die Eier ab«, beruhigte Bay Nikolai.)
Geschickt suchte Bay sich mit seinen Stäbchen die zarten Fischstücke heraus. »Mit der Frau des Kaisers schlafen«, sagte er und schüttelte den Kopf. »Das ist nicht gut.«
Sie ist nicht seine Frau, dachte Nikolai. Sie gehört mir.
»Siebenundfünfzig französische Huren gibt es in meinem Bordell«, sagte Bay, »aber Sie müssen sich ausgerechnet diese aussuchen.«
»Weiß Bao Dai davon?«
»Ich weiß nicht, ob er’s weiß«, erwiderte Bay. »Ich weiß es. Er hat mich gebeten, Sie im Auge zu behalten. Und ich hab’s ihm nicht gesagt, falls Sie das meinen.«
»Wer hat versucht, mich umzubringen?«
Bay zuckte mit den Schultern. »Ich war’s nicht.«
»Geschah es nicht auf Befehl von Bao Dai?«
»Vielleicht hat er es befohlen«, sagte Bay, »aber nicht mir. Ich nehme an, er ist verärgert, weil ich die Karten nicht zu Ihren Ungunsten gezinkt habe. Vielleicht vertraut er mir nicht mehr.«
»Ich muss Sie um einen Gefallen bitten«, sagte Nikolai.
Bay zuckte erneut mit den Schultern und aß seine Suppe. Endlich legte er seine Stäbchen weg, nahm die Suppenschale auf und schlürfte die Brühe. Dann sagte er: »Sie brechen in mein Haus ein, verprügeln meine Leute, erschrecken die Dame, die mir Gesellschaft leistet, fast zu Tode, zielen mit einer Pistole auf mich, drohen abzudrücken, und dann bitten Sie mich um Hilfe? Und das, nachdem Sie meinem wichtigsten Partner sein Geld abgenommen, seine Frau gevögelt und in den Straßen von Saigon Zeter und Mordio veranstaltet haben? Nicht zu vergessen, dass offensichtlich auch noch der Tod irgendeines Russen auf Ihre Rechnung geht, weshalb die halbe Welt Ihren Kopf fordert? Sie haben Nerven aus Stahl, Michel. Ich sollte Sie wirklich Beauty zum Fraß vorwerfen, damit sie sich die Zähne an Ihnen ausbeißt.«
»Aber das werden Sie nicht tun«, sagte Nikolai.
»Was wollen Sie?«
Mein Leben, dachte Nikolai. Nein, mehr als das, meine Ehre.
»Ich möchte meine Waffen zurückkaufen«, sagte er. »Ich bin bereit, Ihnen einen kleinen Gewinn für Ihre Mühen einzuräumen.«
»Sind Sie auch bereit zu sterben?«
»Ja.«
Bay sah ihn lange an. »Ich glaube Ihnen. Aber sagen Sie, wenn ich Ihnen die Waffen verkaufe, was haben Sie dann damit vor?«
»Ich werde sie dem ursprünglich vorgesehenen Kunden liefern.«
Bay wirkte überrascht. »Den Viet Minh. Warum?«
»Ich habe mein Wort gegeben.«
»Das ist der Grund, weshalb Sie es tun sollten«, sagte Bay. »Aber warum sollte ich es tun?«
Nikolai antwortete: »Egal, was Sie sind oder nicht sind, Sie sind ein Ehrenmann und Sie verdanken mir Ihr Leben.«
»Die Viet Minh sind der Feind.«
»Heute sind sie das«, pflichtete Nikolai ihm bei. »Vor vier Jahren waren sie noch Ihre
Weitere Kostenlose Bücher