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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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wirkten wie die Schuppen eines Reptils. Oder vielleicht wie die eines Drachen, dachte Nikolai, um in der chinesischen Tierkosmologie zu bleiben.
    Nein, fand er, der Vergleich mit dem Go ist passender. Die Mauer war eine schmale lange Reihe aus Steinen, allein schon aufgrund ihrer Länge angreifbar und durch keinerlei Verteidigung in der Tiefe gesichert.
    Auf jeden Fall konnte man davon lernen.
    Chen schlief auf der Fahrt zurück nach Peking ein, was Nikolai weiteren Smalltalk ersparte. Stattdessen begann er, sich in Gedanken auf seine bevorstehende Aufgabe vorzubereiten, und während er darüber nachdachte, wurde ihm bewusst, dass er schon bald zum Auftragskiller werden würde.
    Er hatte in seinem jungen Leben bereits drei Menschen auf dem Gewissen – was nicht viel war im Vergleich zu anderen Angehörigen seiner Generation, die das Gemetzel des Krieges miterlebt hatten.
    Der Erste war Kishikawa gewesen, sein Ziehvater, und er hatte es getan, um seinem Mentor Schande zu ersparen. Er hatte seine Pflicht als Sohn erfüllt, fast so, als hätte er dem General beim seppuku assistiert.
    Die beiden anderen hatten zuvor versucht, ihn zu töten, es war also Notwehr gewesen. Dies hier aber war ein geplanter und bezahlter Mord. Er konnte vernünftige Gründe dafür anführen, wenn er daran dachte, dass er auf diese Weise sein eigenes Leben und auch das von Solange zurückforderte. Trotzdem kam er nicht um die Tatsache herum, dass er im Begriff stand, einem anderen Menschen das Leben zu nehmen, weil es für ihn selbst von Vorteil war, und moralische Ausflüchte halfen dabei so sehr wie die Wachtürme der Chinesischen Mauer bei der Abwehr der Feinde.
    Die finanzielle Vergütung durch die Amerikaner war allerdings nicht relevant.
    Hierbei handelte es sich um eine Frage der Ehre.
    Woroschenin war nicht irgendwer.
    Kurz bevor sie starb, hatte Nikolais Mutter ihm erzählt, was zwischen ihr und Juri Woroschenin vorgefallen war.
    Petrograd war eingefroren und der Brennstoff neigte sich dem Ende zu.
    Der Winter 1922 war ungewöhnlich hart, die geringen Kohlevorräte schwanden und die Kommunisten plünderten die Häuser auf der Suche nach Feuerholz. Den berühmten Lindenbäumen im Taurischen Garten hatte man bereits die Äste abgesägt, und die Bäume sahen aus wie Marterpfähle.
    Es war ein Wunder – nein, kein Wunder, sondern ein Beweis ihres eisernen Willens –, dass der Familiensitz der Gräfin Alexandra Iwanowna noch stand. Das Haus erstreckte sich über einen halben Häuserblock entlang der Kirochnaya, und der Petrograder Sowjet hatte sie gezwungen, es größtenteils in eine kommunalka umzuwandeln, in der mehrere Dutzend Arbeiterfamilien untergebracht wurden.
    Arbeiter, das waren sie zumindest theoretisch – durch den Mangel an Brenn- und Werkstoffen sowie die galoppierende Inflation, die durch die Finanzattacken des Westens auf den Rubel ausgelöst worden war, hatten viele Petrograder Fabriken schließen müssen. Die Arbeiter froren und hungerten.
    Es war ein Nachmittag im Februar, als Juri Woroschenin, damals Leiter der Petrograder Tscheka, die Treppe zu der riesigen Holztür hinaufstieg und sich den Schnee von den Schuhen trat. Er ging hinein, ohne zu klopfen.
    Der riesige Eingangsbereich war voller Menschen, die in Mänteln und unter Decken zitterten, und trotzdem hatte die Gräfin nicht zugelassen, dass die teuren Holzmöbel, die überall im Haus herumstanden, zu Feuerholz verarbeitet wurden. Woroschenin ging an ihnen vorbei zum Treppenaufgang und in die Zimmer, die sie als ihre »Wohnung« für sich beanspruchte.
    Sie war dünn, ihre Wangen ein wenig eingefallen, ihre Haut blass vom Hunger. Selbst der Oberschicht fiel es in dieser Zeit nicht leicht, etwas zu essen aufzutreiben. Trotzdem betrachtete sie ihn mit dem herablassenden Blick der herrschenden Klasse, als wollte sie fragen, was ihm einfiele, sie zu so früher Stunde am Nachmittag zu belästigen.
    Er war es nicht gewohnt, sich Unverschämtheiten bieten zu lassen. Sie sollte sich fürchten, was sie vielleicht auch tat, denn er war für zahllose Hinrichtungen und entsetzliche Folter verantwortlich und sie befand sich in seiner Macht. Doch sie zeigte keinerlei Furcht.
    »Guten Tag, Genossin Iwanowna.«
    »Ich bin nicht Ihre ›Genossin‹ und werde es auch niemals sein.«
    »Sie wissen, dass ich Sie dafür erschießen lassen könnte.«
    Sie klappte ihr Buch zu. »Jetzt sofort? Dann gehen wir. Soll ich mir etwas überziehen oder wollen Sie mich gleich hier

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