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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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einmal ein Glas Tee an, obwohl er selbst eins schlürfte. Der weiße Zucker hatte sich in einer dicken Schicht am Boden des Glases abgesetzt, wie der Sand auf dem Grund eines der Seen bei den Datschen, in denen Leute wie Woroschenin ihren Urlaub verbrachten, was Leotow allerdings nicht vergönnt war.
    »Also?«, fragte Woroschenin.
    Leotow fing mit Guibert an.
    Schien alles hieb- und stichfest. Die Guiberts waren tatsächlich eine Familie von Waffenhändlern aus dem Langue doc mit Verbindungen zur Kommunistischen Partei Frankreichs. Papa Guibert hatte eine Zweigstelle in Hongkong eröffnet, um die Profitmöglichkeiten zu nutzen, die sich durch die fortgesetzten Kriege der chinesischen Machthaber infolge der Revolution von 1911 ergaben. Während der Besetzung durch die Japaner schien er die Geschäfte eingestellt zu haben, was ihm wahrscheinlich das Leben gerettet hatte, ebenso wie der Umstand, dass er Vichy-Franzose war und so mit nicht als Feind galt. Allerdings gab es Gerüchte, er beliefere in geheimer Absprache mit den Amerikanern vietnamesische Rebellen im Kampf gegen die Japaner, also in erster Linie, aber nicht ausschließlich Ho Chi Minh und seine Leute.
    Für einen Linken wirkte der alte Guibert politisch durchaus flexibel, da er nach dem Krieg sowohl mit den Nationalisten wie auch mit den chinesischen Kommunisten und den Unabhängigkeitsbewegungen im französischen Indochina Geschäfte gemacht hatte.
    »Verbindungen zur Union Corse?«, fragte Woroschenin, denn die korsische Mafia kontrollierte den Drogen- und Waffenverkehr zwischen Frankreich und den südostasiatischen Kolonien.
    »Selbstverständlich«, entgegnete Leotow. »Wobei Guibert kein Korse ist, es handelt sich also um eine rein geschäftliche Beziehung. Während des Krieges hatte er auf jeden Fall mit ihnen zu tun.«
    »Was ist mit dem Sohn?«, fragte Woroschenin.
    »Michel?«
    Woroschenin seufzte. »Ja.«
    Auch hier war offenbar alles so, wie es den Anschein hatte. Leotow legte einige unscharfe Fotos auf den Tisch. Der Sohn war in Montpellier geboren, aber in Hongkong aufgewachsen, deshalb sprach er fließend Kantonesisch. Er hatte den Ruf eines Spielers, Weiberhelden und Tunichtguts, war bis nach Kriegsende und seinem Autounfall beim Vater nicht sehr beliebt gewesen.
    »Seinem was?«
    »Er hatte einen Autounfall im …« – Leotow schaute in seine Notizen – »Sommer 50 in Monaco. Offensichtlich hatte Michel kurz zuvor einen dicken Batzen Geld im Casino verspielt und seinen Kummer ertränkt. In einer scharfen S-Kurve hat es ihn dann erwischt.«
    Sein Leben stand eine Zeit lang auf Messers Schneide, und es waren aufwendige Operationen nötig, um sein Gesicht wiederherzustellen. Die chirurgischen Eingriffe schienen offenbar auch so etwas wie einen Charakterwandel her beigeführt zu haben – der Sohn hatte sich verändert, war seriöser geworden und erpicht darauf, einen Platz im Familienunternehmen zu finden.
    »Das ist interessant«, sagte Woroschenin.
    Leotow zuckte mit den Schultern. Er wusste wirklich nicht, was daran so interessant sein sollte. Woroschenin schon. Er hatte die stalinistischen Säuberungen nur deshalb überlebt, weil er ein feines Gehör hatte, und dieser Autounfall war ein unüberhörbarer Missklang. Rekonstruktive Gesichtschirurgie, gefolgt von einer Charaktermetamorphose?
    »Wo ist der Vater jetzt?«, fragte er. »Wissen wir das?«
    »In Hongkong, nehme ich an.«
    »Das nimmst du an? Finde es raus.«
    »Ja, Genosse.«
    »Und was ist mit der Iwanowna?«
    »Der Bericht liegt vor.« Leotow erzählte, was er herausgefunden hatte.
    »Lass mir die Unterlagen da.«
    »Aber es gibt …«
    »Ich habe gesagt, du sollst aufhören.«
    Leotow legte den Ordner auf den Tisch und ging.
    Woroschenin zog die Schreibtischschublade auf. Er hatte das Gefühl, er würde einen ordentlichen Drink brauchen, bevor er in der Lage wäre, sich die Unterlagen anzusehen.

41
    L ang ist sie jedenfalls, die Chinesische Mauer, dachte Nikolai.
    Eine wahrhaft monumentale architektonische und organisatorische Leistung. Aber wie jede rein statische Verteidigungsstrategie beim Go hatte auch sie ihre Aufgabe, Eindringlinge fernzuhalten, zu keinem Zeitpunkt erfüllt. Es hat keinen Sinn, eine Mauer zu bauen, wenn die Wächter an ihren Toren käuflich sind.
    Trotzdem war sie ein Wunderwerk, und wie sie sich über die Erhebungen und Abhänge der Hügel und Täler wand, biegsam wie eine Riesenschlange, bot sie einen fantastischen Anblick, die einzelnen Steine

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