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Satori - Winslow, D: Satori - Satori

Titel: Satori - Winslow, D: Satori - Satori Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Don Winslow
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Tage.«
    »Fahr fort.«
    Nikolai beichtete eine genau vereinbarte Liste von »Sünden« in einer ganz bestimmten Reihenfolge – Lust, Völlerei, Unehrlichkeit und noch einmal Lust – Haverfords kleiner Scherz. Als er fertig war, herrschte kurz Stille, und dort, wo zuvor das Gesicht des Priesters gewesen war, erschien nun ein Zettel.
    »Kannst du es erkennen?«, fragte der Priester. Er richtete die Lampe darauf.
    »Ja«, sagte Nikolai und betrachtete den Grundriss des Zheng Yici Opernhauses. Eine der Logen war rot eingekreist.
    Er prägte sich den Plan genau ein – die Türen, die Treppen, die Gänge –, dann sagte er: »Ich hab’s.«
    Erneut erschien das Gesicht des Priesters. »Deine Sünden sind dir vergeben. Zehn Ave Maria, fünf apostolische Glaubensbekenntnisse und ein Reuegebet. Zügele deine Lust. Gott sei mit dir, mein Sohn.«
    Nikolai trat aus dem Beichtstuhl, kehrte zum Altar zurück, kniete nieder und sprach seine Gebete.

44
    W oroschenin grübelte.
    Irgendetwas war mit dem Namen Kishikawa.
    Ein paar Minuten später glaubte er, sich an etwas zu erinnern und griff zum Telefon. Eine halbe Stunde später hatte er eine Leitung nach Moskau und sprach mit seinem alten Kollegen, dem Oberst – inzwischen General – Gorbatow.
    »Juri, wie geht es dir?«
    »Ich bin in Peking, falls das deine Frage beantwortet.«
    »Ach. Welchem Umstand habe ich das Vergnügen zu verda…«
    »Sagt dir der Name Kishikawa was?«
    »Ich hab damals, 48, die Sowjetunion bei einem gemeinsamen Prozess der Alliierten gegen japanische Kriegsverbrecher vertreten«, erwiderte Gorbatow. »Kishikawa war mein größter Fisch. Warum fragst du?«
    »Habt ihr ihn hingerichtet?«
    »Das wollten wir«, sagte Gorbatow. »Kamen aber nicht mehr dazu.«
    »Warum nicht?«
    »Das war eine irre Geschichte«, erwiderte Gorbatow, »ganz außergewöhnlich. Es gab da einen jungen Mann, der für die Amerikaner als Übersetzer gearbeitet hat und irgendwie mit Kishikawa befreundet war. Eigentlich war er der Sohn einer russischen Aristokratin … warte mal … mir fällt der Name gleich wieder ein … Iwanowna. Eine echte Gräfin.«
    »Kannst du dich an seinen Namen erinnern? Den des jungen Mannes?«
    »Der Junge war ziemlich beeindruckend. Absolut selbstbeherrscht …«
    »Sein Name, Piotr?«
    »Hel. Nikolai Hel.«
    Woroschenin spürte, wie sich seine Nackenhaare aufrichteten. »Was ist mit dem General passiert?«
    »Das ist ja das Außergewöhnliche«, erwiderte Gorbatow. »Hel hat ihn ermordet. In seiner Zelle. Vor den Augen der Wärter, irgendeine japanische Angriffstechnik, die auf den Adamsapfel zielt. Offensichtlich wollte er ihm die Schande ersparen, hängen zu müssen.«
    Woroschenins Kehle schnürte sich zu. »Habt ihr Hel in Gewahrsam?«
    »Nein, die Amerikaner haben ihn mitgenommen. Glaub mir, wir waren froh, ihn los zu sein.«
    »Weiß man, was aus ihm geworden ist?«
    »Ich nicht«, sagte Gorbatow. »Bin froh, dass ich damit nichts zu tun habe. Sehr unheimlich, die ganze Sache, wenn du mich fragst. Aber warum fragst du, Juri?«
    »Kannst du mir einen Gefallen tun, Piotr?«, fragte Woroschenin. »Vergiss, dass ich angerufen habe.«
    Er legte auf.

45
    Nikolai schob einen Stuhl an die Wand, um Platz in seinem Zimmer zu schaffen, dann zog er sich bis auf die Unterhose aus und wiederholte zwanzigmal die anspruchsvolle kata des »gefangenen Leoparden«.
    Er entschied sich für diese Form, weil sie sich für einen Kampf auf begrenztem Raum eignete – präzise Attacken, für die man auf kurzer Entfernung Kraft sammeln musste. Er begann mit dem gesamten Raum, führte die kata in immer enger werdenden Kreisen aus, bis er seine Füße zum Schluss kaum noch bewegen konnte, während er in dem immer enger werdenden Bambuskäfig seiner Fantasie kämpfte.
    Obwohl diese Technik auch brutale Schläge mit Ellbogen oder Knie beinhaltete, zeichnete sie sich vor allem durch die für sie typische Handhaltung aus, die »Leopardenpfote«: die Finger leicht eingeknickt, aber nicht zur Faust geschlossen. Die Schlagfläche war daher sehr klein, eigentlich nur so breit wie die Fingerknöchel, was aber einen Angriff auf sehr engem Raum ermöglichte.
    Präzision war der Schlüssel.
    Das und die Konzentration auf die eigene Kraft. Nikolai übte so lange, bis er eine enorme Explosivkraft in einen Schlag legen konnte, der keine fünf Zentimeter von seinem Ziel entfernt begonnen hatte. Er glaubte, später zwanzig bis siebzig Zentimeter zur Verfügung zu haben,

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