Saturn
ein halbes
Dutzend Männer und Frauen an der Rückwand standen. Wie
Schüler, die man dort hatte antreten lassen und zum
Stillschweigen vergattert hatte.
»Sie wollen damit auf der Titanoberfläche landen«, sagte
Cardenas.
»Natürlich nicht selbst«, sagte Urbain. »Alpha wird vielmehr
vom Habitat aus ferngesteuert. Es handelt sich um ein mobiles
Labor, das die Oberfläche von Titan für uns erkunden wird.«
»Ach so.«
Urbain schnippte mit den Fingern, und ein Techniker auf der
anderen Seite des Labors wirbelte herum und tippte Befehle in
eine schreibtischgroße Konsole. Das Raumschiff bewegt sich.
Ein lautes elektrisches Summen erfüllte das Labor, und zwei
lange dünne Arme klappten an einer Seite des Rumpfs aus.
Pinzettenartige Greifer öffneten und schlossen sich. Cardenas
wich instinktiv einen Schritt zurück.
Urbain lachte. »Keine Angst. Es tut Ihnen nichts. Diese
Greifer vermögen die empfindlichsten biologischen Proben zu
handhaben, ohne sie zu beschädigen.«
»Es ist… sehr eindrucksvoll.«
»Nicht wahr? Alpha ist mit einer kompletten Sensoren-Palette
ausgestattet. Es kann Proben nehmen, sie in luftdichten
Kapseln deponieren und zwecks Analyse zum Habitat
zurückschicken.«
»Wird das Schiff nach beendeter Mission zurückkehren?«
»Nein. Nie. Es bleibt auf Titan. Wir werden Brennstoff und
Ersatzteile für die Sensoren dorthin schicken.«
»Hat es denn keinen Nuklearantrieb?«, fragte Cardenas.
»Natürlich! Der Brennstoff ist für die Raketen, die die Proben
zurückbringen.«
»Ich verstehe.«
Urbain seufzte zufrieden. »Ich habe leider nicht so viel Zeit
ins Projekt investieren können, wie ich es mir gewünscht hätte.
Ich werde von dieser politischen Kampagne in Anspruch
genommen, müssen Sie wissen.«
Cardenas nickte. »Und doch haben Sie es geschafft. Das ist
wirklich eine große Leistung.«
»Ohne meine Leute hätte ich es nicht geschafft.«
»Ich bin Ihnen sehr dankbar, dass Sie mir das gezeigt haben«,
sagte Cardenas. Insgeheim befürchtete sie aber, dass Urbain
dem Raumschiff den Befehl geben würde, über den Boden des
Labors zu rollen.
Sie ging langsam in Richtung der Tür. Urbain holte sie mit
zwei Schritten ein.
»Ich wollte aber nicht nur mit meiner neusten
Errungenschaft prahlen«, sagte er mit einem etwas weniger
enthusiastischen Ausdruck. »Ich möchte Sie auch um einen
Gefallen bitten.«
»Einen Gefallen?«, fragte Cardenas, während sie an der
Trennwand entlangging. Das massive Raumschiff vermittelte
ihr ein Gefühl der Bedrückung, ja sogar der Bedrohung.
Urbain zögerte, als würde er sich schwer tun, die richtigen
Worte zu finden. »Es betrifft Alphas Fähigkeit zur
Selbstreparatur.«
Cardenas schaute ihn streng an.
»Ich frage mich«, sagte Urbain, als sie sich am Ende der
Trennwand umdrehten, »ob Nanomaschinen in der Lage
wären, Alpha auch auf der Titanoberfläche zu reparieren.«
Cardenas nickte nachdenklich. Da liegt also der Hase im
Pfeffer. Sie haben alle eine Heidenangst vor Nanobots, bis sie
auf ein Problem stoßen, das von Nanomaschinen gelöst
werden könnte.
»Ich meine«, fuhr Urbain fort, »Sie haben doch selbst
Nanomaschinen im Körper, stimmt's? Sie reparieren ständig
das Gewebe, nicht wahr?«
»Und Sie hätten gern ein Nanotech-Immunsystem in Ihr
Raumschiff eingebaut«, sagte Cardenas mit einem leisen
Lachen der Erleichterung.
»Nanomaschinen, die fähig wären, kontinuierlich Defekte
und Schäden an der Ausrüstung zu beheben.«
»Oder Verschleiß«, ergänzte Cardenas.
»Ja! Exakt!«
Sie blieb an der offenen Tür stehen und überlegte schnell.
»Das würde aber einige Zeit dauern, Dr. Urbain. Wann wollen
Sie das Raumschiff zum Titan schicken?«
»Sobald wir in eine Umlaufbahn um den Saturn gegangen
sind. Höchstens ein paar Tage später.«
»Ich werde auf keinen Fall in der Lage sein, so schnell einen
Satz therapeutischer Nanos zu konstruieren.«
»Aber vielleicht könnten Sie gleich mit der Produktion
beginnen und sie zu Alpha schicken, wenn das Schiff schon auf
Titan ist.«
»Vielleicht«, räumte Cardenas ein.
»Werden Sie die Möglichkeit in Betracht ziehen?«, fragte er
erwartungsvoll.
Cardenas sah in seinen Augen, dass er diese seine Maschine
beinahe wie ein menschliches Wesen betrachtete, wie eine
Frau, die er liebte und begehrte und vor allen Unbilden
schützen wollte. Ein Dr. Frankenstein mit Herz, sagte sie sich
voller Unbehagen angesichts der von ihm
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