Saturn
auf der Zunge
lag. Es bringt nichts, dem Mann seine Illusionen zu rauben,
sagte sie sich. Am Wahltag wird er eine herbe Ernüchterung
erfahren. Sie wird sein Ego verletzen; doch auf lange Sicht
wird er wahrscheinlich froh sein, dass er aus der Politik
ausgestiegen ist und sich voll auf diese Kiste namens Alpha
konzentrieren kann.
45 Tage bis zur Ankunft
Die drei Frauen trafen sich zum Frühstück in der Cafeteria; sie
waren so früh dran, dass der Saal erst zur Hälfte besetzt war.
Holly hatte den Eindruck, dass das Lokal an diesem Morgen
irgendwie anders wirkte ‒ ruhig und gedämpft, als ob die
Leute, die sich an der Essensausgabe anstellten, noch nicht
ganz wach wären.
Sie sah Kris und Nadia Wunderly schon an einem Tisch
setzen. Sie hatten die Köpfe zusammengesteckt und ein
fröhliches Grinsen im Gesicht.
Holly stellte ihr Tablett mit Melonenscheiben,
Frühstücksflocken, Sojamilch und Malzkaffee ab und setzte
sich hin.
Wunderly schaute fröhlich; ihre großen grauen Augen
funkelten. »Ich kann Ihnen gar nicht genug dafür danken, dass
Sie mir Zeit am Teleskop verschafft haben.
Sie müssten einmal die Dynamik dieser Ringe sehen! Es ist…
Es ist…«
Cardenas lachte leise. »Ihnen fehlen die Worte?«
Wunderly schaute etwas verlegen. »Ich würde Ihnen gern
die Bilder zeigen, die ich gemacht habe. Ihnen auch, Holly«,
sagte Wunderly an sie gewandt.
Holly lächelte sie an. »Sicher. Ich würde sie auch gern
sehen.«
»Es ist mir nach wie vor ein Rätsel, wie Sie Urbain dazu
bewogen haben, mich ans Teleskop zu lassen«, sagte
Wunderly zu Cardenas.
»Mit List und Tücke«, sagte Cardenas noch immer grinsend.
»Und mit einer Prise Erpressung.«
»Auf jeden Fall scheint es geklappt zu haben«, sagte Holly.
Wunderly steckte den Löffel in ihre Schüssel mit Soja-
Joghurt. »Dank Ihnen, Kris, vermag ich Manny nun mit allen
Daten zu versorgen, die er benötigt.«
Holly stülpte sich schier der Magen um. »Manny?«
»Er will im Sturzflug durch die Ringe«, erklärte Wunderly.
»Doch ohne meine Hilfe wird er es nicht schaffen.«
»Ich habe Manny schon seit Wochen nicht mehr gesehen«,
sagte Holly und schaute über den Tisch auf Cardenas. »Wie
geht es ihm denn?«
»Blendend«, antwortete Wunderly.
Cardenas wirkte überrascht. »Wo Sie es sagen, ich habe ihn
auch schon seit längerer Zeit nicht mehr gesehen ‒ zuletzt
beim abschließenden Test der Dekontaminations-Nanos.«
Wunderly ließ den Blick zwischen Holly und Cardenas hin
und her schweifen. »Ich sehe ihn fast jeden Tag«, sagte sie.
Etwas selbstgefällig, sagte Holly sich.
»Sehen Sie ihn auch nachts?«, fragte Cardenas und führte die
Teetasse zum Mund.
»Sicher«, sagte Wunderly. »Manchmal.«
Überaus selbstgefällig, fand Holly.
»Er ist ziemlich gut, nicht wahr?«, sagte Cardenas.
Wunderly nickte erfreut.
Plötzlich wurde Holly heilhörig. »Kris, sind Sie mit Manny
bis zum Äußersten gegangen?«, platzte sie heraus.
Cardenas wurde rot. Sie nickte hinter der Teetasse und sagte
kleinlaut: »Ein paarmal. Aber Sie sagten doch, dass Sie nichts
dagegen hätten. Erinnern Sie sich?«
»Ich habe auch nichts dagegen«, insistierte Holly. Der innere
Aufruhr strafte sie jedoch Lügen.
Wunderlys Eulenaugen wurden noch größer als sonst. »Sie
meinen, er hat mit Ihnen beiden geschlafen?« Cardenas stellte
die Teetasse ab. »Zum Schlafen sind wir eigentlich kaum
gekommen.«
Holly brach in Gelächter aus, und der Schmerz im Innern
verschwand. »Er ist wirklich ein Hengst.«
Wunderly schien aber verletzt. »Sie beide…«, flüsterte sie.
Das war keine Frage mehr.
Cardenas beugte sich über den Tisch und berührte
Wunderlys Hand. »Er ist eben ein Mann, Nadia. Es bedeutet
ihm gar nichts. Nur Spaß an der Freud'. Entspannung.«
»Aber ich dachte…«
»Nicht denken, Kind. Einfach genießen. Er wird bald zur
Erde zurückfliegen. Haben Sie Spaß, solange Sie können.«
»Gather yc rosebuds«, zitierte Holly und fragte sich zugleich,
woher sie diese Liedzeile hatte.
Wunderly rang sich ein Lächeln ab und sagte: »Sie haben
wohl Recht. Aber trotzdem…«
»Passen Sie nur auf, dass Sie nicht schwanger werden.«
»Das wird mir schon nicht passieren!«
»Er hat mit mir geschlafen, als er die Hilfe der Verwaltung
brauchte«, sagte Holly nachdenklich. »Und er hat mit Ihnen
geschlafen, Kris, als er herausfand, dass Sie ihm mit den
Nanobots behilflich sein könnten.«
»Und nun schläft er mit
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