Saturn
hängen.
»Oberst Kananga möchte mit Ihnen sprechen«, sagte eine der
Frauen, die die Anführerin zu sein schien. »Nach der
Versammlung. Er bittet Sie hier zu bleiben, bis er zu Ihnen
kommt.«
Wortlos schob Cardenas die Tür zu und ging zum Sofa
zurück.
»Sie müssen über alles Bescheid wissen«, sagte Gaeta.
»Sie haben das Apartment verwanzt«, sagte Cardenas und
ließ sich wieder aufs Sofa fallen. »Sie hören jedes Wort, das wir
sagen. Und sie wissen jetzt auch über Hollys Dossier aus
Atlanta Bescheid.«
»Dann wissen sie auch, dass Tavalera in den Tunnels nach
ihr sucht«, sagte Gaeta mit einem Gefühl der Hilflosigkeit und
Ohnmacht.
Die letzte Wahlkampfveranstaltung
Inmitten der sie umschwärmenden Leute war ein Gespräch
kaum möglich. Eberly und Morgenthau gingen nebeneinander
den Pfad entlang, der zum Veranstaltungsort am See führte.
Vyborg war dicht hinter ihnen, und Kananga und zwei seiner
kräftigsten Männer gingen voran und bahnten ihnen einen
Weg durch die dichte Menschenmenge, die den Pfad säumte.
Die Leute riefen, lächelten und versuchten Eberly die Hand zu
schütteln, ihn zu berühren und ein Lächeln von ihm zu
erhaschen.
Er hätte ihnen gern die Hände geschüttelt, ihnen ein Lächeln
geschenkt und sich in ihrer Verehrung gesonnt. Stattdessen
ignorierte er sie, während er mit Morgenthau sprach.
»Sie ist in den Tunnels?«, rief er übers Stimmengewirr der
Menge.
Morgenthau nickte und schnaufte, obwohl sie in der Menge
kaum schneller als im Schneckentempo vorankamen.
»Cardenas' Assistent sucht in den Tunnels nach ihr«, schrie
sie Eberly ins Ohr.
»Ich hoffe nur, dass er mehr Erfolg hat als Kanangas Affen.«
»Was?«
»Nichts«, sagte er lauter. »Schon gut.«
»Wir haben Cardenas und den Stuntman unter Hausarrest
gestellt. Sie haben Hollys ursprüngliches Dossier.«
Das ließ bei Eberly die Alarmglocken schrillen. »Wie sind sie
denn daran gekommen?«
»Sie haben es aus Atlanta. Die Neue Moralität hat
anscheinend über jeden an Bord des Habitats ein Dossier
angelegt.«
»Ich hätte diese Datei auch frisieren sollen«, sagte Eberly und
rang frustriert die Hände.
»Dafür ist es nun zu spät.«
»Die Sache läuft allmählich aus dem Ruder. Wir können
Gaeta und Cardenas nicht einsperren. Ich habe Gaetas Stunt
schließlich als Wahlkampf-Höhepunkt gepusht.«
»Vyborg hielt es fürs Beste, sie bis zu der Wahl morgen
Abend aus dem Verkehr zu ziehen.«
Eberly schaute über die Schulter. Vyborg. Dieser
griesgrämige kleine Troll ist die Ursache des ganzen Ärgers,
sagte er sich. Wenn ich erst einmal fest im Sattel sitze, werde
ich mich seiner entledigen. Aber die kleine Schlange weiß zu
viel über mich, sagte er sich dann. Die einzige Art, ihn
loszuwerden, ist, ihn für immer zum Schweigen zu bringen.
Eine Blaskapelle kam mit Umptata-umptata auf sie zu, nahm
die kleine Gruppe in die Mitte und eskortierte sie zur
Rednertribüne. Es waren Amateurmusiker, die mit Spielfreude
wettmachten, was ihnen an Talent fehlte. Sie tröteten so laut,
dass Eberly keinen klaren Gedanken zu fassen vermochte.
Urbain und Timoschenko saßen bereits auf der Bühne, wie er
beim Näherkommen sah. Die Menge jubelte laut und hatte
sich schon fast in Ekstase gesteigert. Wilmot war nirgends zu
sehen. Gut. Er bleibt in seiner Unterkunft, wie ich es befohlen
habe. Ich will, dass diese Leute mich als ihren Anführer
betrachten und niemanden sonst.
Er erklomm die Stufen und nahm auf dem Stuhl zwischen
Timoschenko und Urbain Platz. Die vielen kleinen Bands
vereinigten sich vor der Bühne zu einem großen Orchester
und boten eine schwache Interpretation von Now Let Us Fraise
Famous Men dar. Eberly fragte sich, wie die Frauen des
Habitats diesen sexistischen Affront wohl aufnahmen. Die
Band war aber so schlecht, dass es darauf auch nicht mehr
ankam, sagte er sich.
Schließlich verstummte die Katzenmusik, und die Menge fiel
in ein erwartungsvolles Schweigen. Eberly sah, dass
dreitausend Bewohner des Habitats im Gras standen und ihn
anschauten. Es war die größte Wahlkampfveranstaltung
bisher, und doch war Eberly enttäuscht und fühlte sich
zurückgesetzt. Siebzig Prozent der Bevölkerung ist die Wahl
so egal, dass sie nicht zur Veranstaltung erschienen sind.
Siebzig Prozent! Sie sitzen zu Hause, legen die Hände in den
Schoß und beschweren sich dann aber, wenn die Regierung
Dinge tut, die ihnen nicht behagen. Die Narren verdienen, was
auch
Weitere Kostenlose Bücher