Saturn
bewusst, dass ihr Leben davon abhing.
Die Siegesfeier artete aus. Ein paar von Eberlys Anhängern
hatten gekühlte Partyfässer mit selbst gebrautem Bier zum
Picknick am Seeufer mitgebracht, und nun wurden die Leute
immer lauter und begannen schließlich zu randalieren. Sie
lachten sich über jeden Schwachsinn scheckig, schütteten sich
gegenseitig Bier über den Kopf und wankten in voller Montur
in den See, wobei sie angeschickert kicherten.
Normalerweise hätte Eberly sich in der Verehrung seiner
Anhänger gesonnt. Er trank keinen Alkohol, und es wagte
auch niemand, ihn mit Bier oder sonst etwas zu übergießen.
Dennoch hätte Eberly jede Millisekunde des stundenlangen
Picknicks genossen ‒ wäre er sich nicht bewusst gewesen, was
ihn nach dem Ende der Party erwartete.
Trotz des Lächelns, das er aufgesetzt hatte, wusste er, dass er
sich mit Kananga würde auseinander setzen müssen, und das
würde alles andere als angenehm werden. Vielleicht sogar
gefährlich.
Morgenthau machte indes einen recht fröhlichen Eindruck,
trotz der zotigen Scherze der angetrunkenen Menge. Eberly
stellte fest, dass selbst die kleine Schlange Vyborg sich
angeregt mit ein paar der jungen Frauen unterhielt, die sich
um ihn scharten und ihn anhimmelten. Manchen Menschen
steigt die Macht zu Kopf; anderen fährt sie in den Schwanz.
Morgenthau bahnte sich mit einer Plastiktasse in der Hand
einen Weg durch eine Traube der Gratulanten, die Eberly
umlagerte. Sicher etwas Alkoholfreies, sagte Eberly sich.
Wahrscheinlich Limonade. Die Menge teilte sich vor ihr.
Zollen sie ihr wirklich Respekt, fragte Eberly sich, oder sehen
sie nur, dass sie dieses frivole Treiben mit grenzenlosem
Abscheu betrachtet.
»Genießen Sie Ihren Triumph?«, fragte sie Eberly leise,
nachdem die anderen außer Hörweite waren. Ein wissendes
Lächeln hinterließ Grübchen in ihrem breiten Gesicht.
Er nickte nüchtern. Während des ganzen Picknicks hatte er
nichts Stärkeres getrunken als Eistee.
»Nun beginnt die eigentliche Arbeit«, sagte sie mit noch
leiserer Stimme. »Nun bringen wir diese Leute unter unsere
Kontrolle.«
Eberly nickte erneut, diesmal aber weniger begeistert. Er
wusste nämlich, worauf sie anspielte: dass auch er unter
Kontrolle wäre. Unter ihrer Kontrolle. Ich habe die ganze
Arbeit gemacht, und sie glaubt, sie wäre die wahre
Machthaberin.
Er fragte sich, ob Wilmot und Holly sich als stark genug
erweisen würden, ihm zu helfen.
Am nächsten Morgen drängten fünfzig verwirrte Männer und
Frauen sich im größten Konferenzraum des
Verwaltungsgebäudes.
Holly verließ in Begleitung von Gaeta und Cardenas
Wilmots Quartier und ging vorher noch in ihr Apartment, um
zu duschen und sich umzuziehen. Sie sahen, dass Kanangas
Sicherheitsleute ihnen in einiger Entfernung folgten. Sie
blieben auf Distanz, verfolgten aber jede ihrer Bewegungen
und holten über ihre Palmtops Anweisungen von Kananga
ein. Holly wurde dabei an Videos erinnert, in denen sie
gesehen hatte, wie Hyänen eine Gazellenherde verfolgten und
darauf warteten, dass ein schwaches Tier zusammenbrach,
damit sie sich darüber hermachen konnten.
Eberly traf sie an der Pforte des Gebäudes, und dann gingen
sie zusammen an den Büros der Human-Resources-Abteilung,
wo Morgenthau eigentlich hätte sein sollen, vorbei zum
Konferenzraum.
Es gab dort nicht genug Stühle für alle Anwesenden, so dass
die meisten Leute, die Holly ausgesucht hatte, stehen mussten.
Es war heiß und stickig durch die Ausdünstungen der vielen
Körper auf engstem Raum. Und die Leute waren offensichtlich
ungehalten.
»Worum geht's überhaupt?«, wollte einer der Männer
wissen, als Eberly zur Tür hereinkam.
»Ja, weshalb haben Sie uns eigentlich herbestellt?«
»Wir werden doch nicht das Einschwenken in den Orbit
verpassen, oder? Es soll in ein paar Stunden stattfinden.«
Eberly machte mit beiden Händen eine beschwichtigende
Geste, bahnte sich einen Weg durch die Gruppe und ging zum
Kopfende des Tisches. Holly, die noch immer von Gaeta und
Cardenas flankiert wurde, wartete an der Tür.
»He, ist das nicht die Flüchtige?«, sagte jemand und wies auf
Holly.
»Die Sicherheitsleute suchen sie.«
»Sie muss sich selbst gestellt haben.«
Holly sagte nichts, aber es machte ihr Angst, dass man sie für
eine Flüchtige hielt ‒ für eine Kriminelle, die den Behörden
übergeben werden musste.
»Was will sie hier?«
»Vielleicht hat Eberly sie dazu
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