Saturn
bin doch nicht mehr als eine Galionsfigur.
Sie hat die eigentliche Macht, sie und Kananga und diese
Natter Vyborg. Ohne ihn und seinen krankhaften Ehrgeiz
wäre das alles nicht passiert. Ich habe die Macht für sie
gewonnen, nicht für mich.
Widerwillig folgte er Morgenthau zum Fahrradständer vorm
Verwaltungsgebäude und stieg auf eins der Zweiräder mit
Elektroantrieb. Von hinten sah Morgenthau aus wie ein
Nilpferd auf einem Fahrrad. Er bemerkte, dass sie nicht einmal
auf ebener Strecke in die Pedale trat; stattdessen überließ sie es
dem lautlosen kleinen Elektromotor, sie zu befördern. Ich
hoffe nur, dass der Akku leer ist, wenn wir die Steigung
erreichen, sagte Eberly sich boshafterweise.
Aber sie schaffte den ganzen Weg bis zum Habitat-Ende und
zur Luke, die zur zentralen Luftschleuse führte.
Eberly folgte ihr brav. Sie ließen die Fahrräder im Ständer an
der Luke stehen und betraten den kalten, trübe beleuchteten
Stahltunnel.
Als die Luke sich hinter ihnen schloss, schaute Eberly über
die Schulter zurück wie ein Häftling, der einen letzten Blick
nach draußen wirft, bevor die Gefängnistore sich hinter ihm
schließen. Er sah eine kleine Gruppe von Leuten, die die
Steigung zur Luke erklommen. Drei von ihnen trugen die
schwarzen Gewänder der Sicherheitskräfte. Die große,
schlanke Gestalt in ihrer Mitte sah wie Holly aus. Den Mann in
einer beigefarbenen Montur, der vor den anderen herhinkte,
erkannte er aber nicht.
Dann schloss die Luke sich, und Eberly spürte, wie die Kälte
des kühlen Stahltunnels ihm ins Gebein drang.
»Kommen Sie«, sagte Morgenthau. »Kananga wartet an der
Schleuse auf uns. Vyborg ist auch da.«
Eberly folgte ihr wie ein widerspenstiger kleiner Junge, der
zur Schule geschleppt wird, und fragte sich, was er zu tun
vermochte.
Gaeta vertrieb mit einem Blinzeln den Schweiß aus den
Augen. Er hatte die Notantenne eingeholt und sie noch
zweimal ausgefahren. Jedes Mal hatte er etwa fünf Minuten
einer klaren, deutlichen Kommunikation herausgeschunden,
bevor die Eis-Kreaturen die Antenne wieder mit einer so
dicken Eisschicht ummantelt hatten, dass die Verbindung
abbrach.
Die Helmvisier-Anzeigen wurden mit Gelb gesprenkelt, als
er elektrische Energie von den Anzugsensoren und sogar von
den Servomotoren abzog, die Arme und Beine bewegten, und
zur Heizung umleitete. Die Arme vermochte er selbst mit Hilfe
der sich abmühenden Servomotoren kaum noch zu bewegen.
Gott weiß, wie dick die Eisschicht schon ist.
Das Problem ist, dass die Anzugshaut eine zu gute
Wärmeisolierung hat, sagte er sich. Der Anzug ist darauf
ausgelegt, Wärme zu speichern und nicht etwa nach draußen
abzugeben.
Das brachte ihn auf eine Idee. Es war zwar gewagt, aber es
war eine Idee. Wie lang vermag ich im Vakuum zu atmen,
fragte er sich. Das war eine Art Russisches Roulette, das
Astronauten, Stuntmen und andere Verrückte hin und wieder
spielten: Vakuum-Atmen. Man öffnet den Anzug und hält den
Atem an. Der Trick dabei ist, den Anzug rechtzeitig wieder zu
schließen, bevor man erstickt oder einem die Augen durch den
Unterdruck aus den Höhlen quellen. Viele Leute hatten schon
einen Rekordversuch unternommen; die meisten von ihnen
waren tot. Er erinnerte sich, dass Pancho Lane gut in diesem
Spiel gewesen war; damals, als sie noch Astronautin gewesen
war.
Die eigentliche Frage lautet, sagte Gaeta sich: Wie viel Luft
enthält der Anzug? Und wie schnell wird sie wohl entweichen,
wenn ich eine Klappe öffne, zum Beispiel die im Ärmel?
Er wünschte, er hätte das mit Fritz abzuklären vermocht,
doch nun funktionierte nicht einmal mehr die Notantenne; als
er sie zuletzt benutzt hatte, war sie so stark vereist, dass er sie
nicht mehr einzuholen vermochte.
Du bist auf dich allein gestellt, muchacho. Stell selbst
Berechnungen an und handle auf eigene Faust. Es hilft dir
niemand mehr.
Kananga wirkte ruhig und zufrieden; der große Mann stand
lächelnd vor der inneren Luke der Luftschleuse. Es war eine
übergroße Luke ‒ breit und hoch genug, um sperrige Kisten
mit Maschinen und andere Fracht aufzunehmen, aber auch
Personen in Raumanzügen. Vyborg zappelte nervös herum. Er
wollte die Sache offenbar möglichst schnell hinter sich
bringen, sagte Eberly sich.
Auf der anderen Seite der stählernen Kammer stand Holly.
Sie versuchte trotzig zu schauen, vermochte ihre Angst
dennoch nicht zu verbergen. Ein junger Mann, den er als
Raoul Tavalera
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