Saturn
Sitz
neben ihm das Gespräch mit ihm suchte, reagierte er kurz
angebunden auf ihre blödsinnigen Bemerkungen und
bemühte sich verzweifelt, sich nicht anmerken zu lassen, wie
lausig es ihm ging.
Er rang sich ein Lächeln ab und hoffte, dass sie nicht den
kalten Schweiß sah, der auf seiner Oberlippe perlte. Er spürte,
dass das billige, dünne Hemd, das er trug, durchgeschwitzt
war. Nach einer Weile verstummte sie und richtete die
Aufmerksamkeit auf den Bildschirm, der in die Rückenlehne
des Vordersitzes integriert war.
Eberly konzentrierte sich ebenfalls auf die Bilder. Der
Bildschirm zeigte das Habitat, einen plumpen Zylinder, der
wie ein von einem abgezogenen Bautrupp zurückgelassenes
Rohr in der Leere des Raums hing. Doch je näher sie kamen,
desto mehr nahm das Habitat Gestalt an. Eberly sah, dass es
langsam rotierte; er wusste, dass der Spin ein Gefühl von
Schwerkraft im Innern des Zylinders verursachte. Zahlen
gingen ihm durch den Kopf: Das Habitat hatte eine Länge von
zwanzig Kilometern und einen Durchmesser von vier
Kilometern. Es drehte sich alle fünfundvierzig Sekunden
einmal um die eigene Achse, wodurch eine Zentrifugalkraft
entstand, die der normalen Erdenschwere entsprach.
Er war plötzlich so aufgeregt, dass er fast das Gefühl der
Übelkeit vergaß. Nun sah er auch die großen Fenster, die über
die ganze Länge des riesigen Zylinders verliefen. Und dann
kam auch der Mond ins Bild und leuchte die Szene hell aus.
Aus der Nähe betrachtet war der Mond hässlich, vernarbt und
mit unzähligen Kratern übersät. Eberly wusste indes, dass
einer der größten Krater den Stadtstaat Selene beherbergte.
Schnell wurde das Habitat so groß, dass es alles andere
ausblendete. Im ersten Moment befürchtete Eberly schon, dass
sie mit ihm kollidierten, obwohl der Verstand ihm sagte, dass
die Piloten des Schiffs alles unter Kontrolle hatten. Er sah die
Sonnenspiegel, die sich an die Rundungen des Zylinders
schmiegten. Und es wuchsen Stiele und Knubbel aus der Hülle
des Habitats wie Warzen an einer Gurke. Er wusste, dass sie
zum Teil Beobachtungskuppeln waren. Bei anderen
Auswüchsen handelte es sich um Andock-Ports, Schubdüsen
und Luftschleusen.
»Hier spricht der Kapitän«, ertönte die Stimme einer Frau
aus den Lautsprechern, die über jedem Monitor eingelassen
waren. »Wir sind in einen Orbit um das Habitat gegangen. In
drei Minuten werden wir andocken. Sie werden einen oder
zwei Rucke spüren ‒ kein Grund zur Sorge.«
Und doch erschraken die Passagiere, als der Ruck sie
durchfuhr. Eberly umklammerte in Erwartung eines weiteren
Stoßes die Sitzlehnen. Aber es passierte nichts mehr. Außer…
Der Magen hatte sich beruhigt! Das Gefühl der Übelkeit war
verschwunden. Die Gravitation war zurückgekehrt, und er
fühlte sich wieder ganz normal. Nein, sogar besser als normal.
Er drehte sich zu der Frau um, die neben ihm saß, und
musterte kurz ihr Gesicht. Es war ein rundes, fast
pausbäckiges Gesicht mit großen dunklen Mandelaugen und
lockigem schwarzem Haar. Sie hatte einen glatten, dunklen
Teint. Eberly vermutete, dass sie aus dem Mittelmeerraum
stammte ‒ vielleicht Griechin, Spanierin oder Italienerin. Er
lächelte sie kurz an.
»Da sitzen wir nun schon seit über sechs Stunden
nebeneinander, und ich habe mich Ihnen noch nicht einmal
vorgestellt. Ich heiße Malcolm Eberly.«
Sie erwiderte das Lächeln. »Ja, das sehe ich.« Sie tippte aufs
Namensschild, das an ihre Bluse angesteckt war und sagte:
»Ich bin Andrea Maronella. Ich gehöre zum Agrotech-Team.«
Eine Bäuerin, sagte Eberly sich. Eine Landpomeranze. »Ich
bin der Leiter der Abteilung Human Resources«, erwiderte er
mit einem noch breiteren Lächeln.
»Wie schön.«
Bevor er noch etwas zu sagen vermochte, forderte die
Flugbegleiterin sie auf, sich loszuschnallen und zur Schleuse
zu gehen. Eberly löste den Sicherheitsgurt und erhob sich. Er
war froh, sein altes Gewicht zurückerlangt zu haben, und
vermochte es kaum zu erwarten, einen Blick ins Habitat zu
werfen. Die Panik, gegen die er angekämpft hatte, verflog. Ich
habe es geschafft!, frohlockte er innerlich. Ich habe die Angst
ausgehalten und sie besiegt.
Er ließ Maronella den Vortritt beim Betreten des Gangs und
folgte ihr dann zur Schleuse. Die sechzehn Männer und
Frauen passierten der Reihe nach die Schleuse und betraten
eine Kammer aus kahlen Metallwänden. Ein älterer Mann
stand neben der Innenschleuse; er
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