Saturn
übrigens«, rief Susan über die Schulter, als sie die
Bürotür öffnete. »Ich werde meinen Namen ändern. Ich mag
nicht mehr Susan heißen. Von nun an ist mein Name Holly.«
Und dann schlüpfte sie durch die Tür, bevor Pancho noch
etwas zu sagen vermochte.
»Holly«, murmelte Pancho in Richtung der geschlossenen
Tür. Wie, um alles in der Welt, ist sie bloß darauf gekommen,
fragte sie sich. Wieso will sie unbedingt ihren Namen ändern?
Pancho schüttelte den Kopf und befahl dem Telefon, sie mit
ihrem Sicherheitschef zu verbinden. Als sein markantes,
kantiges Gesicht in der Luft überm Schreibtisch erschienen,
sagte sie:
»Wendell, ich brauche jemanden, der dieses gottverdammte
Habitat zum Saturn fliegt und ein Auge auf meine Schwester
hat ‒ aber so, dass sie es nicht merkt.«
»Wird sofort erledigt«, erwiderte der Sicherheitschef. Dann
wandte er den Blick kurz ab und sagte: »Ähem… heute Abend
werde ich…«
»Nix mit heute Abend«, sagte Pancho schroff. »Sie werden
jemanden in diesem Habitat platzieren. Aber jemanden, der
gut ist! Kümmern Sie sich sofort darum.«
»Jawohl!«, sagte Panchos Sicherheitschef.
Mondorbit: Habitat Goddard
Malcolm Eberly versuchte die Panik zu unterdrücken, die
noch immer in ihm tobte wie ein sturmgepeitschtes Meer.
Zusammen mit den fünfzehn anderen Abteilungsleitern stand
er stocksteif am Haupteingang des Habitats.
Der Flug von der Erde hierher war eine Qual für ihn
gewesen. Seit dem Augenblick, als der Raumclipper in den
Erdorbit gegangen und das Gefühl der Schwerkraft auf null
geschrumpft war, hatte Eberly geradezu einen Todeskampf
gegen den Schrecken der Schwerelosigkeit geführt. Auf dem
gepolsterten Sitz angegurtet hatte er mit der ganzen Kraft des
Willens gegen den überwältigenden Drang ankämpfen
müssen, sich zu übergeben. Ich werde nicht schlappmachen,
sagte er sich mit zusammengebissenen Zähnen. Kreidebleich
und in kalten Schweiß gebadet schwor er sich, dass er sich vor
den anderen keine Blöße geben würde.
Sich vom Sitz zu erheben, nachdem der Raumclipper die
Transfer-Rakete erreicht hatte, war ein schierer Kraftakt.
Eberly schaute starr geradeaus, hatte die Fäuste geballt und
die Augen zu Schlitzen verengt. Unter den fröhlichen
Anweisungen der Flugbegleiter folgte er dem auf und nieder
hopsenden Overall der Frau vor sich und hangelte sich an den
Sitzen den Gang entlang, bis er durch die Luke ins Transfer-
Schiff glitt. Dies alles spielte sich in Schwerelosigkeit ab, und
er würgte, als ob die Eingeweide ihm zum Hals herausquellen
wollten.
Niemand sonst wirkte so angeschlagen wie er. Die anderen ‒
fünfzehn Männer und Frauen, alle Abteilungsleiter wie er ‒,
plapperten und lachten fröhlich und führten sogar
Selbstversuche durch, indem sie vom Klett-Bodenbelag der
Passagierkabine emporschwebten. Schon beim bloßen Anblick
drehte Eberly sich schier der Magen um.
Aber er hielt noch immer die Galle zurück, die im Schlund
brannte. Ich werde nicht schlappmachen, sagte er sich immer
wieder. Ich werde die Stellung halten. Ein Mann vermag alles
zu erreichen, was er sich vorgenommen hat, wenn er die Kraft
und den Willen dazu hat.
Dann schnallte er sich auf einem Sitz in der Transfer-Rakete
an und starrte stur nach vorn, als das Schiff die Triebwerke
zündete und den Flug zum Mondorbit begann. Der Schub war
zwar nur schwach, vermittelte aber zumindest ein gewisses
Gefühl der Schwere. Wenn auch bloß für ein paar Sekunden.
Die Triebwerke verstummten, und er hatte wieder das Gefühl,
zu fallen ‒ endlos zu fallen. Die anderen unterhielten sich
angeregt. Ein paar von ihnen prahlten sogar damit, wie oft sie
schon im Weltraum gewesen wären.
Natürlich!, sagte Eberly sich. Sie haben das alle schon einmal
erlebt. Sie kennen dieses beschissene Gefühl schon, und nun
macht es ihnen nichts mehr aus. Sie stammen alle aus gut
situierten Familien, sind reiche und verwöhnte Kinder, die
sich noch nie im Leben um irgendetwas Sorgen zu machen
brauchten. Ich bin hier der Einzige, der noch nie die Erde
verlassen hat, der Einzige, der für seinen Lebensunterhalt
kämpfen musste, der Einzige, der Hunger, Krankheit und
Angst kennt.
Ich muss das hier aushalten. Ich muss! Sonst werden sie mich
wieder zurückschicken, und ich werde in einer verdammten
Gefängniszelle krepieren.
Mit einer schieren Willensanstrengung überstand Eberly die
Stunden in der Schwerelosigkeit. Als die Frau auf dem
Weitere Kostenlose Bücher