Saturn
Büro umher, während sie sprach; sie war
frustriert, weil keine Rückmeldung von der Person kam, an
die sie ihre Mitteilung richtete. Die Kommunikation im Raum
außerhalb des Erde/Mond-Systems war fast immer eine
einseitige Angelegenheit. Obwohl Nachrichten mit
Lichtgeschwindigkeit durch den Weltraum flitzen, waren die
Entfernungen zum Mars, zum Asteroidengürtel und darüber
hinaus einfach zu groß, als dass ein Echtzeit-Gespräch von
Angesicht zu Angesicht möglich gewesen wäre.
Also sprach Pancho unverdrossen weiter und hoffte, dass
Kris Cardenas so schnell wie möglich antworten würde.
»Ich weiß, dass das viel verlangt ist, Dr. Cardenas«, sagte sie.
»Sie haben viele Jahre auf Ceres verbracht und sich dort eine
neue Existenz aufgebaut. Jedoch ist dieser Flug zum Saturn
auch für Sie eine Chance, sich etwas komplett Neues
aufzubauen. Man wird froh sein, über ihre Expertise zu
verfügen ‒ darauf können Sie sich verlassen. Es gibt sicher
unzählige Möglichkeiten, wie Sie mit Ihren Kenntnissen der
Nanotechnik den Leuten helfen werden.«
Durch die Macht der Gewohnheit schaute Pancho zu der
Abbildung hinauf, die mitten in ihrem Büro schwebte. Doch
anstelle von Kris Cardenas' Gesicht zeigte sie nur ihre eigenen,
gestochen scharfe Worte.
»Ich werde Ihnen aus eigener Tasche sämtliche Kosten
erstatten und noch einen großen Bonus drauflegen«, fuhr
Pancho fort. »Ich werde den großzügigen Ausbau Ihres
Habitats auf Ceres finanzieren. Sie ist meine kleine Schwester,
Kris, und sie braucht jemanden, der auf sie aufpasst. Ich kann
es selbst nicht tun; deshalb hoffe ich, dass Sie dazu bereit sind.
Werden Sie das für mich tun? Nur für ein Jahr oder so, nur so
lang, bis meine Schwester auf eigenen Füßen stehen kann,
ohne Dummheiten zu machen. Werden Sie mir dabei helfen,
Kris? Es soll Ihr Schaden nicht sein, und ich würde das
außerordentlich zu schätzen wissen.«
Pancho wurde sich bewusst, dass sie praktisch bettelte.
Geradezu winselte. Was soll's?, fragte sie sich. Hier geht es
schließlich um Susie.
Doch dann atmete sie durch und sagte mit fester Stimme:
»Bitte melden Sie sich in dieser Angelegenheit, sobald es Ihnen
möglich ist, Kris. Es ist wirklich wichtig für mich.«
In ihrem behaglichen Quartier im Habitat Chrysallis, das sich
im Orbit um den Asteroiden Ceres befand, betrachtete Kris
Cardenas aufmerksam Panchos besorgtes Gesicht, während
die Vorstandsvorsitzende der Astro Corporation im luxuriös
möblierten Büro auf und ab ging. Cardenas bemerkte die
Anspannung in Panchos schlankem Körper, in jeder Geste und
in jedem Wort, das sie sprach.
Ich schulde ihr überhaupt nichts, sagte Cardenas sich. Wieso
sollte ich hier meine Zelte abbrechen und auf dieser
verrückten Expedition zum Saturn mitfliegen?
Dennoch verspürte sie wider Willen Neugierde. Vielleicht
wird es wieder einmal Zeit für eine Veränderung in meinem
Leben. Vielleicht habe ich lang genug Buße getan.
Trotz ihres kalendarischen Alters schien Dr. Kristin Cardenas
von ihrem Äußeren her irgendwo in den Dreißigern zu sein.
Sie war eine hübsche, strohblonde Frau mit den Schultern
einer Schwimmerin, einem starken, athletischen Körper und
klaren kornblumenblauen Augen. Das lag daran, dass es in
ihrem Körper von Nanomaschinen nur so wimmelte ‒
virengroße Geräte, die wie ein variables zielgerichtetes
Immunsystem wirkten, das eindringende Viren zerstörte und
Ablagerungen, die in den Blutgefäßen sich bildeten, Atom für
Atom abbauten und das Gewebe regenerierten, das durch
Traumata und Alterung beschädigt war.
Cardenas hatte für ihre Forschung in der Nanotechnik den
Nobelpreis erhalten, bevor es den fundamentalistischen
Regimes der Erde gelungen war, alle Arten der Nanotech-
Anwendung auf dem Planeten zu verbieten. Sie hatte ihre
Arbeit jahrelang in Selene fortgeführt und der Mond-Nation
geholfen, ihren kurzen, praktisch unblutigen Krieg gegen die
frühere Weltregierung zu gewinnen. Weil sie sich aber selbst
Nanomaschinen injiziert hatte, war ihr die Rückkehr zur Erde
verwehrt ‒ selbst für einen kurzen Besuch. Sie hatte ihren
Ehemann und die Kinder verloren, weil sie es nicht wagten,
nach Selene zu reisen und damit das Risiko einzugehen, mit
ihr von der Erde verbannt zu werden. Cardenas grämte sich
bitterlich wegen der kurzsichtigen Einstellung der
›Flachländer‹, die sie ihre Kinder und Enkelkinder gekostet
hatte. Aufgrund dieser Verbitterung
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