Saturn
der
Restriktionen auf der Erde überdrüssig waren.«
Vyborg war da anderer Ansicht. Er führte die Debatte fort.
Der am Ende des Kaffeetischs sitzende Eberly sagte sich,
dass Vyborg, der auf dem besten Lehnstuhl des Raums saß
und die storchenartigen Beine unter sich angezogen hatte, wie
eine zusammengerollte Schlange aussah: dünn, klein,
dunkelhäutig und mit bedrohlich glitzernden Augen. Jaansen
war das genaue Gegenteil: ruhig, hellhäutig und so stoisch wie
ein Gletscher. Und er hatte noch immer diesen verdammten
Palmtop in der Hand und spielte damit herum wie mit einem
Voodoo-Requisit.
»In einer geschlossenen Ökologie wie dieser dürfen wir
keine Wirrköpfe und Unruhestifter dulden«, schaltete
Kananga sich ein. »Wir sollten sie ohne Raumanzug aus der
Luftschleuse stoßen!«
Morgenthau lachte. »Mein lieber Oberst, wie können wir uns
auf Luftschleusen-Justiz verlegen, wenn das Gesetz jedem
Bürger einen ordentlichen Prozess für jedes Vergehen
garantiert, das er vielleicht begeht?«
»Meine Rede!«, rief Vyborg und schaute Jaansen ins Gesicht.
»Wir haben hier keinen Platz für eine Kuscheljustiz.«
Morgenthau schürzte die Lippen und sagte: »Es gäbe
vielleicht noch eine andere Möglichkeit.«
»Und welche?«
»Ich habe gehört, dass Wissenschaftler auf der Erde damit
experimentieren, Menschen elektronische Sonden in den
Schädel einzupflanzen. Sie verbinden die Sonden mit dem
Gehirn…«
»Bioelektronik«, sagte Jaansen.
»Ja«, pflichtete Morgenthau ihm bei. »Indem diese Sonden
mit verschiedenen Gehirn-Zentren verbunden werden,
vermag man das Verhalten einer Person zu kontrollieren und
zum Beispiel kriminellen Verhaltensweisen vorzubeugen.«
»Na und?«, fragte Vyborg missmutig.
»Vielleicht können wir solche Sonden verwenden, um auch
hier das Verhalten zu kontrollieren«, sagte Morgenthau.
»Den Leuten Sonden ins Gehirn einpflanzen, um ihr
Verhalten zu kontrollieren?« Jaansen schauderte.
»Das könnte funktionieren«, sagte Morgenthau.
»Sie würden der Operation aber zustimmen müssen«, gab
Vyborg zu bedenken.
»Nicht, wenn sie einer Straftat überführt wären«, wandte
Kananga ein.
»Auf jeden Fall wäre es eine Möglichkeit, die Leute zu
kontrollieren«, sagte Morgenthau.
»Die Bevölkerung würde dem nie zustimmen«, erwiderte
Jaansen und schüttelte den Kopf. »Die Leute sind schließlich
nicht blöd. Sie würden der Regierung nie eine solche Macht
über sich einräumen.«
»Wir müssten es ihnen doch nicht sagen«, wandte Kananga
ein. »Sondern es einfach tun.«
Es entspann sich eine Diskussion, die zunehmend hitzig
wurde. Eberly schaute nur zu, hörte zu und süffelte Tee,
während sie sich beinahe in die Haare gerieten.
»Dürfte ich wohl einen Vorschlag machen?«, fragte er dann.
Er sprach nur leise, aber aller Blicke richteten sich sofort auf
ihn.
»Selbst in so genannten Demokratien auf der Erde haben die
desolaten Zustände, die durch den Klimakollaps verursacht
wurden, zu autoritären Regierungen geführt. Selbst in den
Vereinigten Staaten herrscht die Neue Moralität mit eiserner
Faust über die meisten Großstädte.«
»Genau aus diesem Grund haben die meisten dieser Leute
sich auch diesem Habitat angeschlossen«, legte Jaansen dar.
»Weil sie in Freiheit leben wollen.«
»Mit der Illusion von Freiheit«, murmelte Kananga.
»Säkularisten«, grummelte Morgenthau. »Renitente und
Ungläubige. Agnostiker und ausgesprochene Atheisten.«
»Im Grunde stimme ich mit Ihnen überein«, sagte Jaansen
und ließ den Palmtop zwischen den Händen hin- und
herwandern. »Ich bin auch ein Gläubiger. Ich erkenne
durchaus die Notwendigkeit einer straffen Kontrolle der
Menschen. Aber diese Säkularisten sind keine Dummköpfe.
Viele von ihnen sind Wissenschaftler. Und noch mehr sind
Ingenieure und Techniker. Ich will damit sagen, wenn wir eine
Verfassung vorlegen, die die beanspruchten Freiheitsrechte
nicht garantiert, werden sie sie ablehnen.«
»Aber nicht, wenn wir die Stimmen auszählen«, sagte
Morgenthau mit einem koketten Zwinkern.
»Lassen Sie die Scherze«, entgegnete Jaansen.
»Das ist alles schon vorgekommen«, sagte sie kichernd.
Eberly stieß einen langen Seufzer aus. Wieder richteten sich
alle Blicke auf ihn.
»Niemand von Ihnen hat ein Verständnis für historische
Zusammenhänge«, sagte er. »Sonst wüssten Sie nämlich, dass
dieses Problem früher schon aufgetreten ist und auch
pragmatisch gelöst
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