Saturn
immer
meinen Pieper dabei.«
»Sie müssen mich jederzeit über ihren Aufenthaltsort
informieren. Ich will Sie nicht erst suchen müssen.«
Holly wurde immer ärgerlicher. »Sie mögen mich nicht
besonders, nicht wahr?«
Im ersten Moment wirkte Morgenthau überrascht, beinahe
erschrocken. »Sie sind keine Gläubige«, gestand sie dann.
»Und noch schlimmer, sie sind eine Wiedergeborene. Ich finde
das…« ‒ sie suchte nach dem passenden Wort ‒ »degoutant.
Beinahe sündig.«
»Das war auch nicht meine Entscheidung. Meine Schwester
hat sie getroffen, als ich so krank war, dass ich nicht wusste,
wie mir geschah.«
»Trotzdem. Sie haben versucht, Gottes Urteil über Sie zu
revidieren. Sie haben versucht, dem Tod von der Schippe zu
springen.«
»Würden Sie das denn nicht versuchen?«
»Nein! Wenn Gott mich zu sich ruft, dann werde ich mit
Freude gehen.«
Je eher, desto besser, sagte Holly sich.
»Aber meine religiösen Überzeugungen stehen hier auch
nicht zur Debatte. Ich will, dass Sie mich jederzeit über Ihren
Aufenthaltsort informieren.«
»Ich verstehe«, erwiderte Holly und unterdrückte ihren
Zorn.
Morgenthau setzte wieder dieses Lächeln auf, das Holly
irgendwie gezwungen anmutete, und fügte hinzu: »Natürlich
nur während der Bürozeiten. Was Sie nach Dienstschluss tun,
müssen Sie selbstverständlich mit Ihrem Gewissen
vereinbaren.«
»Selbstverständlich.«
»Sofern es nicht Doktor Eberly betrifft.«
Das ist es also!, sagte Holly sich. Sie ist sauer, weil sie mein
Interesse an Malcolm bemerkt hat. Vielleicht weiß sie mehr als
ich. Vielleicht sieht sie, dass Malcolm sich auch für mich
interessiert!
»Dr. Eberly ist viel zu beschäftigt für irgendwelche
persönlichen Engagements, Holly. Sie müssen aufhören, ihn
abzulenken.«
Sie versucht ihn zu schützen. Sie stellt sich zwischen
Malcolm und mich.
Holly erhob sich. »Ich hätte Ihnen sagen sollen, dass ich den
Nachmittag frei nehmen wollte«, sagte sie kalt. »Es wird nicht
wieder vorkommen.«
»Gut!« Morgenthau klatschte so laut in die Hände, dass
Holly erschrak. »Wo wir das nun geklärt hätten ‒ ich werde
heute den ganzen Tag nicht im Büro sein. Sie übernehmen die
Vertretung.«
»Wo werden Sie denn sein?«, fragte Holly überrascht über
den plötzlichen Wechsel der Tonart.
Morgenthau lachte leise und wedelte mit dem Finger in der
Luft. »Nein, nein, ich muss Ihnen nicht sagen, wohin ich gehe.
Ich bin schließlich Abteilungsleiterin. Ich kann kommen und
gehen, wie es mir beliebt.«
»Ja, stimmt. Sicher.«
»Aber nur zu Ihrer Information«, sagte Morgenthau und
stemmte sich schnaufend vom Bürostuhl hoch, »ich werde den
ganzen Tag mit Malcolm verbringen. Wir werden ein paar
Entwürfe für die neue Verfassung erörtern.«
Eberly trank Kräutertee, während Vyborg und Jaansen leise,
aber leidenschaftlich diskutierten. Kananga war von dieser
Unterhaltung offensichtlich gelangweilt, während
Morgenthau sie schweigend verfolgte und dabei Pralinen
futterte.
Kananga ist ein Mann der Tat, sagte Eberly sich. Er ist kein
tiefgründiger Denker, was aber auch nur von Vorteil ist. Er
gibt ein nützliches Werkzeug ab. Morgenthau ist da schon
anders. Sie sitzt nur stumm wie eine Sphinx da und beobachtet
alles. Was wohl in ihrem Kopf vorgeht? Was wird sie von den
hiesigen Vorgängen nach Amsterdam berichten? Vermutlich
alles.
»Wenn man den Leuten all diese persönlichen Freiheiten
zugesteht«, sagte ‒ beziehungsweise zischte ‒ Vyborg, »wird
das Resultat Chaos sein. Anarchie.«
»Die meisten Bewohner sind doch in dieses Habitat
gegangen, um repressiven Regimes zu entfliehen. Wenn ihre
persönliche Freiheit nicht garantiert wird, dann werden sie die
ganze Verfassung ablehnen.« Jaansen lehnte sich auf dem Sofa
zurück und lächelte, als ob er die Diskussion schon für sich
entschieden hätte.
»Persönliche Freiheit«, spie Vyborg förmlich aus. »Das ist
genau die Art von Freizügigkeit, die fast zum
Zusammenbruch der Zivilisation geführt hätte. Wenn da nicht
die Neue Moralität gewesen wäre…«
»Und die Heiligen Jünger«, warf Morgenthau ein. »Und das
Schwert des Islam«, fügte sie mit einem Blick auf Kananga
hinzu.
Jaansen schaute sie und Vyborg mit einem Stirnrunzeln an.
»Was auch immer Sie davon halten, diese Leute werden keine
Verfassung akzeptieren, die nicht ihre historischen Rechte
garantiert. Sie sind nur deswegen hier, weil sie
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